Materielles Kulturerbe, von Nadine Hoffmann, 28.06.10

UNESCO-Welterbe – zukünftig auch in OWL?

Die Schloss- und Klosteranlage Corvey bewirbt sich um einen Listenplatz

Auf dem Weg zum ostwestfälischen Weltkulturerbe? Die Schloss- und Klosteranlage Corvey nahe Höxter

Was verbindet die Schloss-und Klosteranlage Corvey mit der Großen Mauer in China, dem Taj Mahal in Indien oder den Pyramiden von Gizeh? Eine Gemeinsamkeit der Bauwerke scheint auf den ersten Blick nicht erkennbar und dennoch gibt es sie: Corvey, am Rande der Stadt Höxter in Ostwestfalen gelegen, bewirbt sich derzeit unter Mitarbeit der Studenten des Master-Studienganges Kulturerbe um einen Platz auf der Welterbeliste der UNESCO.

Mit einer Aufnahme in die Liste würde Corvey künftig zu den Zeugnissen vergangener Kulturen und einzigartiger Naturlandschaften zählen, deren Untergang ein unersetzlicher Verlust für die gesamte Menschheit wäre. Diese Denkmäler zu schützen liegt nicht allein in der Verantwortung einzelner Staaten, sondern wird als Aufgabe der Völkergemeinschaft verstanden. Die dafür zuständige Organisation ist die UNESCO.

Die ‘United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization’ wurde 1945 als eine rechtlich selbstständige Sonderorganisation der Vereinten Nationen gegründet. Die Leitidee der Organisation ist in der Präambel ihrer Verfassung fixiert: „Da Krieg im Geist der Menschen entsteht, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden“. Durch Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur möchte die UNESCO zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit beitragen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Kultur. Zielsetzung ist es, den interkulturellen Dialog, die kulturelle Vielfalt und den Schutz des Kulturerbes zu fördern. Aus diesen Bemühungen sind bereits zahlreiche Übereinkommen entstanden, die sich auf unterschiedlichste Art und Weise dem Schutz von Kulturgut verschrieben haben. Hervorzuheben sind hier insbesondere das Übereinkommen zum Schutz kultureller Vielfalt, die Konvention zum Schutz des immateriellen Kulturerbes, das Weltdokumentenerbe und das Übereinkommen zum Schutz des Kultur-und Naturerbes der Welt.

Letztgenannte Kenvention (1972 beschlossen) ist mit inzwischen 186 Mitgliedstaaten das bedeutendste Instrument zum Schutz von Kultur- und Naturerbe, das die Völkergemeinschaft je verabschiedet hat. Die UNESCO-Liste des Welterbes verzeichnet 890 Natur– und Kulturstätten in 148 Ländern, 33 von ihnen befinden sich in Deutschland. Wie jeder andere Vertragstaat hat sich die Bundesrepublik mit der Unterzeichnung der Konvention verpflichtet, die innerhalb seiner Grenzen gelegenen Welterbestätten zu schützen und für künftige Generationen zu erhalten.

Zukünftig soll die Schloss-und Klosteranlage Corvey die Liste um eine deutsche Erbestätte erweitern. Bis es zu einer erfolgreichen Listeneintragung kommen kann, muss allerdings noch einige Arbeit geleistet werden. Denn so ohne Weiteres bekommt man den begehrten Titel ‚UNESCO Welterbe’ nicht zugesprochen und darf sich nicht mit deren Logo schmücken. Corvey muss zunächst die allgemeinen Anforderungen, denen jede Erbestätte weltweit zu entsprechen hat, erfüllen. Allem voran muss geklärt werden, ob das Bauwerk als Denkmal, als Ensemble oder als eine Denkmalstätte eingetragen werden soll. Das bedeutendste Kriterium ist der nachzuweisende ‚außergewöhnliche universelle Wert’ (OUV) der Stätte sowie die Erfüllung der Kriterien der ‚Einzigartigkeit’ und der ‚Authentizität’. Der OUV bezeichnet eine „kulturelle und oder natürliche Bedeutung [eines Gutes], die so außergewöhnlich ist, dass sie die nationalen Grenzen durchdringt und sowohl für gegenwärtige als auch für künftige Generationen der gesamten Menschheit von Bedeutung ist“. Darüber hinaus muss die zu listende Stätte über einen Schutz- und Verwaltungsplan verfügen, die deren Erhaltung sicherstellt. Ein Baustein des Verwaltungsplanes ist die Festlegung des Schutzgebietes: Grenzen der Welterbestätte, Pufferzone (das unmittelbare Umfeld der Stätte) sowie Sichtachsen und Panoramaschutz. Um die Pufferzone und den Panoramaschutz bestimmen zu können, müssen anhand von Karten und Plänen zunächst mögliche Sichtachsen definiert werden, die es dann in der Landschaft zu überprüfen gilt.

 Die Studenten des Masterstudienganges Kulturerbe hatten im Rahmen eines Seminars die Gelegenheit, an dieser Arbeit teilzunehmen. In einem zweitägigen Treffen wurden mithilfe des Kartenmaterials zunächst die Grenzen der Erbestätte bestimmt, und über mögliche Pufferzonen und Sichtachsen diskutiert. Nachdem der theoretische Teil geklärt war, wurde jede mögliche Sichtachse abgefahren und überprüft. Dies alles ist jedoch nur ein Baustein von den vielen, die noch zu erfüllen sind.

Für die Antragstellung, die immer nur durch den Vertragsstaat der UNESCO eingebracht werden kann (die Bundesrepublik reicht den Antrag für Corvey ein), sind noch wesentlich mehr Punkte zu beachten, auszuarbeiten und zu belegen: Erstellung von Kartenmaterial für die Veranschaulichung des Schutzgutes, der Pufferzonen und der Sichtachsen ist ebenso gefordert, wie die Ausarbeitung eines Plans für die nachhaltige Nutzung, die Beschreibung des Verwaltungssystems oder die für die Zukunft geplanten Veränderungen und Konzepte für Bildung, Information und Tourismus.

Diesen Anforderungen gilt es nun gerecht zu werden, damit Schloss und Kloster Corvey eine Chance bekommt, den Titel zu erhalten Wer weiß, vielleicht kann sich Corvey bald neben der Großen Mauer und dem Taj Mahal in die Liste der ‚ganz großen’ Bauwerke dieser Welt einreihen.

 

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