„Jede Synagoge kann als Spiegel des jüdischen Selbstverständnisses und der Stellung der Juden in der Gesellschaft bezeichnet werden“, sagte Prof. Dr. Frank Göttmann zu Beginn der 19. Regionalgeschichtstagung im Audimax der Universität Paderborn. Unter dem Titel „Der Synagogenbau in Westfalen von den Anfängen bis zur Gegenwart“ beschäftigten sich die Teilnehmer mit der baugeschichtlichen Entwicklung und dem denkmalpflegerischen Umgang mit westfälischen Synagogen.
Ein Schwerpunkt lag vor allem auf den Themen Wiederaufbau und Rekonstruktion jener Synagogen, die in der Zeit des Nationalsozialismus zerstört wurden. Prof. Dr. Eva-Maria Seng betonte in ihrem Vortrag, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland zwar neue Synagogen errichtet wurden, dass über eine Rekonstruktion der zerstörten Gebäude jedoch nicht debattiert wurde: „Weder in der Nachkriegszeit noch in der Gegenwart war das ein Thema“ sagte Seng. Die neuen Synagogen würden losgelöst von der Form ihrer Vorgängerbauten, teilweise sogar von deren Standort, errichtet. Durch das einfügen von Relikten zerstörter Synagogen in die Neubauten setze man diese in einen klaren Bezug zur Vergangenheit, zeige aber gleichzeitig einen „Wunsch nach Neubeginn“.
Prof. Manfred Koob von der Technischen Universität Darmstadt präsentierte den Versuch einer virtuellen Rekonstruktion. Im Rahmen seines Projekts werden seit 1995 Synagogen am Computer rekonstruiert, die 1938 von den Nationalsozialisten zerstört wurden. Initiiert wurde das Projekt vor allem durch junge Studenten, die ein „digitales Mahnmal“ setzen wollten. Dies gestalte sich jedoch schwierig. Bauakten seien größtenteils zerstört bzw. fehlten, ebenso das Inventar. So arbeite das Projekt insbesondere mit Berichten und Erinnerungen von Zeitzeugen über die Architektur, Innenausstattung und Farbigkeit. Dr. Edna Brocke zeigte jedoch am Beispiel der Alten Synagoge in Essen die Schwierigkeiten einer solchen Kooperation. Auch hier habe man sich beim Versuch einer originalgetreuen Wiederherstellung des Innenraums an Zeitzeugen gewandt: „Wir hatten unzählige Farbmuster, doch jeder Zeitzeuge hat auf ein anderes Blau gedeutet.“
Dipl.-Ing. Saskia Schöfer und Dr.-Ing. Barbara Seifen vom Amt für Denkmalpflege Westfalen in Münster veranschaulichten am Beispiel der Synagogen in Selm-Bork, Borkholz und Blomberg den denkmalpflegerischen Umgang mit ehemaligen Synagogen in Westfalen. Die Denkmalpflege bemüht sich hier sowohl um eine aktive Nutzung der Gebäude als auch um den Erhalt der historischen Bausubstanz und deren Abgrenzung von modernen Elementen. Christoph Laue vom Kommunal- und Stadtarchiv Herford schloss mit einem Vortrag über den Wiederaufbau der Synagoge in Herford an. Dass die Neue Synagoge hier durch eine Aufnahme von Bauart und -ort des Vorgängerbaus an dessen Tradition anknüpfe, sei auf das Umfeld, also die Kontinuität in der Gemeinde, zurückzuführen. Jedoch wiesen auch hier die modernen Elemente und Veränderungen darauf hin, dass nach der Katastrophe des 20. Jahrhunderts ein bewußter Neuanfang für jüdisches Leben in Deutschland gesucht wurde.
Die Tagung zeigte deutlich, dass der Synagogenbau über die Jahrhunderte und bis heute von seinem Umfeld geprägt wurde. Insbesondere die Neubauten unseres Jahrhunderts versuchen dabei einen Ausdruck für das Nicht-Ausdrückbare zu finden. Doch auch die Bewahrung alter Synagogen findet ihre Berechtigung durch eine Wiederbelebung der Gebäude. Letztlich bleibt auch die neue Synagoge in Deutschland ein Ort, an dem Glaube gelebt wird. Damit wird sie zu einem Ort, über den Außenstehende schwerlich urteilen können.
(Dieser Artikel wurde am 15.12.2010 in der Neuen Westfälischen veröffentlicht.)
An dieser Stelle können Sie gern einen Kommentar hinterlassen. Bitte loggen Sie sich hierfür zunächst ein bzw. erstellen ein Benutzerkonto.