"Man muss den Leuten aufs Maul schauen!" Land und Leute zu kennen, ihre Sitten und Gebräuche zu verstehen, aber auch ihre Schwierigkeiten zu berücksichtigen, wenn man sie für die fremde Sprache der Kirche mit ihren Dogmen und Symbolen begeistern will, all das verbirgt sich hinter dem einfachen, aber dennoch grundlegenden Appell Martin Luthers. Man muss die Leute verstehen, wenn man ihnen das Evangelium nahe bringen will!
Die vielgestaltigen Kirchenbilder der Zeit sind dabei essentieller Bestandteil dieser Botschaft; verweisen sie doch auf Zeiten, in denen der christliche Glaube mehr durch Sehen als durch Hören aufgenommen wurde. Die Heilsgeschichte musste den Menschen direkt vor die Augen gemalt werden, da nur die wenigsten die lateinische Sprache der Liturgie verstanden. Wie Bilder dabei in Menschen wirken können, zeigt sich besonders eindrücklich in einem kleinen farbigen Glasfenster der Soester Wiesenkirche, das als Westfälisches Abendmahl einen überregionalen Bekanntheitsgrad aufweist.
Charmant, identitätsstiftend, tiefgründig, verständlich, dauerhaft originell – die Botschaft des Werkes ist ebenso substantiell wie breit gefächert, sodass sie auch nach über 500 Jahren den Betrachter immer noch beeindrucken und erfreuen kann.
Der unbekannte Künstler verlegt die Szenerie des letzten Abendmahls, das Jesus mit seinen Jüngern feierte, in eine zünftige westfälische Gaststube. Anstelle des Lamms werden Schweinskopf und Schinken serviert, statt Wein gibt es Bier und Schnaps. Ein zentrales Element der christlichen Liturgie vollzieht sich also in deutlich regionalen Bezügen und verkörpert dadurch nicht nur Bodenständigkeit, sondern auch Authentizität.
Man muss den Leuten aufs Maul schauen forderte Martin Luther; der Schöpfer des Westfälischen Abendmahls zeigt, was Luther darunter verstanden wissen wollte: Die Auslebung des Glaubens ist immer und überall möglich, hier und jetzt.
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