Denkmalpflege, von Nadja Bartsch, 24.08.10

Lokales Beispiel für aktuelle Fragen der Denkmalpflege

Die Paderborner Marktkirche – authentisches Zeugnis der Vergangenheit?

Die Fassade der ehemaligen Jesuiten- und Universitätskirche St. Franz Xaver in der Paderborner Innenstadt.

Sowohl Einwohner als auch Touristen schätzen die Stadt Paderborn nicht zuletzt aufgrund ihrer historischen Sehenswür­digkeiten. Ein beliebter Anziehungspunkt ist auch die Paderborner Marktkirche im Zentrum der Altstadt. Ihre dreischiffi­ge Emporenbasilika mit der imposanten Barockfassade weist einen mit prunkvol­len Schnitzereien ausgestatteten Innen­raum auf. Blickfang ist neben der vom Paderborner Bildhauer Heinrich Gröne geschaffenen Kanzel insbesondere der dreigeschossige Hochaltar. Mit fast 22 Metern Höhe und 12 Metern Breite zählt er zu den monumentalsten Barockaltä­ren Deutschlands. Zahlreiche Besucher meinen, ein authentisches Zeugnis der Vergangenheit zu besichtigen. Doch ein Blick auf die Geschichte der Marktkirche wirft folgende Frage auf: Wie geschichts­trächtig sind Bau und Ausstattung wirk­lich?

Bei der ehemaligen Jesuitenkirche han­delt es sich um eine Stiftung des Fürstbi­schofs Ferdinand von Fürstenberg zu Eh­ren des hl. Franz Xaver als Dank für die Genesung von schwerer Krankheit. Am 13. August 1682 wurde der Grundstein gelegt. Der Bau nach Plänen des Jesuiten-Laienbruders Anton Hülse ergänzte mit der Einweihung 1692 das Ensemble aus Gymnasium Theodorianum und der Aca­demia Theodoriana. Im Zweiten Weltkrieg wurde bei alliier­ten Luftangriffen am 17. März 1945 fast ganz Paderborn zerstört. Auch von der Marktkirche blieben lediglich die Grund­mauern und einige wenige Ausstattungs­stücke erhalten, darunter die kunstvoll gestaltete Kanzel. Der 1694 bis 1696 entstandene Hochaltar allerdings konnte nicht gerettet werden.

Bereits kurz nach dem Krieg, von 1948 bis 1960, baute man die Kirche in ihrer alten Form wieder auf. Die Chorwand, die vor der Zerstörung noch durch den Hoch­altar geschmückt wurde, blieb jedoch leer. Ihr trister Anblick weckte schließlich vielfach den Wunsch nach einer Rekon­struktion des barocken Kunstwerkes. So versprach der Förderverein „Barockaltar der Marktkirche“ 1989, zusammen mit der Stadt Paderborn und dem Land NRW, umgerechnet insgesamt vier Millionen Euro für die Verwirklichung dieses Ziels aufzubringen. Die originalgetreue Nach­bildung konnte schließlich am 18. Febru­ar 2004 eingeweiht werden.Informationstafeln sollen die Besucher der Kirche seitdem darauf aufmerksam machen, dass es sich bei dem Altar ledig­lich um einen modernen Nachbau han­delt. Dennoch wird er von vielen als Ori­ginal betrachtet, ebenso wie die Kirche selbst. „Ich dachte, der Altar wäre wie die Kirche noch aus dem Mittelalter“, äußert sich ein Besucher überrascht.

Verständlich erscheint daher, dass Re­konstruktionen wie die der Marktkirche und des Hochaltars heutzutage von der Denkmalpflege kritisch betrachtet wer­den. So besteht neben der Gefahr einer Irreführung des Betrachters auch die, ei­nen ganzen Abschnitt der Geschichte zu­gunsten einer künstlichen Vergangenheit zu „vertuschen“. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit den Zerstörungen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges.Fragt man die Besucher der Marktkir­che in Paderborn, so wird deutlich, wie schwierig sich der Spagat zwischen Re­konstruktion und Authentizität gestaltet. Eine Reisegruppe aus Lippstadt etwa kann die Position der Denkmalpflege durchaus nachvollziehen und fände es gut, wenn man Bilder und Schrifttafeln zur Dokumentation des Zustands vor dem Wiederaufbau aufstellen würde. Die Äu­ßerung einer Teilnehmerin zeigt jedoch, dass sich einige durch die Masse an Infor­mationen überfordert fühlen könnten: „Zu viel ist auch nicht gut. Irgendwann hört dann auch das Interesse auf.“

Es stellt sich also nicht nur die Frage, inwieweit eine archäologische Rekon­struktion zerstörter Gebäude ihrer aus der Geschichte erwachsenen Bedeutung gerecht werden kann. Die Herausforde­rung bei Fällen wie dem der Paderborner Marktkirche wird in Zukunft darüber hin­aus sein, die Meinungen und Positionen von Denkmalpflege und Bevölkerung zu vereinen und dabei sowohl die Geschich­te als auch den Wunsch nach einem ge­schlossenem Gesamtbild des Denkmals in Erwägung zu ziehen.

Die Fassade der ehemaligen Jesuiten- und Universitätskirche St. Franz Xaver in der Paderborner Innenstadt.

Die vom Bildhauer Heinrich Gröne geschaffene Kanzel überstand einen Alliierten Luftangriff am 17. März 1945, der fast ganz Paderborn zerstörte.

Blickfang im Inneren der Marktkirche ist der Hochaltar im Stil des Barock. Nur wenige Besucher wissen, dass er aus dem 21. Jahrhundert stammt.

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