Kultur Regional, Denkmalpflege, von Christiane Gronenberg, 06.06.11

Die Entdeckung der Landschaft

Das LWL-Freilichtmuseum in Detmold ist anders – warum?

Alltagskultur vor drei Jahrhunderten: Shopping wie zu Uromas Zeiten. Der historische Laden für Manufaktur- und Kolonialwaren ist eines von drei Sehenswürdigkeiten im Haus Schwenger aus dem Jahre 1708. (Foto: Philipp Wiegers)

„Ein bisschen bewegen muss man sich hier schon“ versichert Dr. Carstensen, Museumsleiter des  LWL-Freilichtmuseums in Detmold, als er die Gruppe Paderborner Studenten über das etwa 90 ha große Gelände führt. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Museen wird den Besuchern schnell deutlich: Statt den üblichen Schaukästen warten hier mehr als 100 vollständige Gebäude, viel Freiland und jede Menge frische Luft.

„Die Landschaft zwischen den kleinen Siedlungen ist ein wesentlicher Teil der Ausstellung“, erläutert Dr. Carstensen auf dem Weg vom „Westmünsterländer“ zum „Paderborner Dorf“. Wenn auch natürlich in verkleinertem Maßstab, so ist es laut Carstensen im Detmolder Freilichtmuseum gut gelungen, auf die landschaftlichen Eigenheiten der jeweils repräsentierten Region einzugehen. „Das Sauerländer Dorf beispielsweise“, so der Museumsleiter, „wurde in einem bergig anmutenden Teil des Museumsterreins angesiedelt“.

Eine Landschaft ganz anderer Art erblickt die Gruppe schließlich im „Bürgerhaus Schwenger“. Sichtlich stolz zeigt Carstensen den Studenten das dort aufgebaute Tageslicht-Fotoatelier Kuper aus dem Jahr 1891. Die Besucher können hier ein Stück Alltagsgeschichte erleben, wenn sie sich vor der Landschaft abbilden lassen, die auf der Replik eines Wandschirms abgebildet ist. „So etwas diente früher üblicherweise als Hintergrund für Portraitaufnahmen“, erklärt Carstensen. Auch die originale Fotokulisse des Ateliers kann hier bestaunt werden. Die Restaurateure des Museums entdeckten sie bei der Übersiedlung des Ateliers aus Rietberg. Unter mehreren Tapetenschichten kam auf einer der Wände die Abbildung eines gediegenen Interieurs zum Vorschein.

Zu den klassischen Kernaufgaben des Museums gehört neben dem Präsentieren auch das Sammeln von Exponaten. Auch in dieser Hinsicht ist das Freilichtmuseum anders. Während bei einer Mehrzahl Museen ausschließlich Kunstobjekte und Dokumente fachmännisch konserviert werden müssen, macht sich Dr. Carstensen auch schon mal Sorgen um kleine Körner oder lebende Tiere. „Für den Erhalt von historischen Landschaften, wie sie im Freilichtmuseum nachgestellt werden, muss man sich um entsprechendes Saatgut und die Zucht von alten Nutztier-Rassen bemühen“ erläutert er. Letztere wollen allerdings weniger konserviert, als vielmehr mit viel personellem Aufwand gefüttert und gepflegt werden. Um ihre individuelle Präsentation kümmern sich die Nutztiere freilich ohne museales Ausstellungskonzept: Die Esel schreien nach eigenem Gutdünken, und die Hühner scharren sich ihre Wege unter Ackerzäunen hindurch.

Während man sich somit in Detmold um die Vielfalt der Landschaft innerhalb des Museums  kümmert, so wenden sich die Paderborner Studenten demnächst wieder der Frage zu, wie der Erhalt der Museen selbst gewährleistet werden kann. Denn, soviel haben die Besuche der Museen während der letzten Monate sie bereits gelehrt: Die Vielfalt der regionalen Museumslandschaft, die ist sicherlich schützenswert.

Alltagskultur vor drei Jahrhunderten: Shopping wie zu Uromas Zeiten. Der historische Laden für Manufaktur- und Kolonialwaren ist eines von drei Sehenswürdigkeiten im Haus Schwenger aus dem Jahre 1708. (Foto: Philipp Wiegers)

Ein Blick ins Innere zeigt, dass die authentische Präsentation nicht an der Türschwelle endet. (Foto: Philipp Wiegers)

Aber auch die Wohnkultur der Menschen von damals spielt eine Rolle im Ausstellungsrepertoire des LWL-Freilichtmuseums. Ob beim Blick in die Wohn-...(Foto: Philipp Wiegers)

...oder die Schlafstube, stets hat man das Gefühl, eben hätten hier noch Menschen gesessen, oder geschlafen. (Foto: Philipp Wiegers)

Und auch hier verrät ein Blick ins Detail, wie viel Wert auf eine authentische Einrichtung gelegt wird. (Foto: Philipp Wiegers)

Die Tiere, die auf dem Areal des Museums umherstreifen, sind fester Bestandteil der Ausstellung. So auch diese Hühner der Rasse "Westfälischer Totleger". Bielefelder Leinenhändler sollen diese Tiere schon 1850 wegen ihrer guten Legeleistung bis nach Antwerpen mitgenommen haben. (Foto: Philipp Wiegers)

Aus der Puste kommen erwünscht! Auch wenn es nur ein paar Meter Höhenunterschied sind - kleine Hügel gehören zur nachgestellten Sauerländer Landschaft. (Foto: Philipp Wiegers)

Mit der Erforschung ländlicher Gärten wurde in Detmold Neuland betreten. Sie unterscheiden sich sogar innerhalb Westfalens je nach Region, in der dargestellten Zeit und der Sozialschicht. Das zeigt sich vor allem in der Pflanzenauswahl, in Wegbelag, Einfriedung und Zuschnitt. Historischen Fakten haben Einfluss auf die Gestaltung aller Museumsgärten. (Foto: Philipp Wiegers)

Grundsatz im Aufbaukonzept des LWL-Freilichtmuseums Detmold ist es, historische Originalbauten zu zeigen. So etwa die Kappenwindmühle - auch „Holländermühle“ genannt - aus Tonnenheide (Gemeinde Rahden, Kreis Minden-Lübbecke). 1789 wurde sie an ihrem Originalstandort erbaut und zog 1978 ins LWL-Freilichtmuseum, wo man sie heute im Betrieb erleben kann. (Foto: Philipp Wiegers)

Das historische Bauten nicht immer über zweihundert Jahre alt sein müssen wird an einem jungen Projekt des Museums deutlich. Eine Tankstelle aus dem Jahr 1951 wird im sogenannten Siegerländer Weiler des LWL-Freilichtmuseums Detmold aufgebaut. „Der moderne Bau mit Flugdach ist ein markantes Zeugnis der zunehmenden Motorisierung des Straßenverkehrs nach dem Zweiten Weltkrieg", sagt LWL-Museumsleiter Dr. Jan Carstensen. „Sie steht in besonderer Weise für die Veränderung der Dörfer durch die zunehmende Mobilisierung der Bevölkerung in Westfalen." (Foto: Philipp Wiegers)

Der Siegerländer Weiler, in dem bislang als erster Bau die Kapellenschule zu sehen ist, soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden und das dörfliche Leben um 1960 widerspiegeln. Dafür ist die Tankstelle ein wichtiger Schritt, wie Museumsleiter Carstensen anhand eines Bebauungsplans verdeutlicht. (Foto: Philipp Wiegers)

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