Geschichte, Kultur Regional, von Christiane Gronenberg, 26.07.11

„Einmal Bratwurst vom Konfliktherd!“

Streit um den Paderborner Domplatz hat Tradition

Damals wie heute: Wo man an Markttagen bereits von Jahrhunderten eine Bratwurst auf die Hand bekam, hat sich nicht viel geändert. Das gilt auch für Streitereien um den Domplatz. (Foto: Gronenberg)

Der Streit um den Paderborner Domplatz ist kein Novum. Zumindest nicht, wenn man einen Blick auf die vergangenen Jahrhunderte wirft: Bereits im 17. Jahrhundert sorgte der Domfriedhof für Unmut zwischen Bürgerschaft und Domkapitel. Ein Paderborner Historiker hat sich mit der konfliktreichen Geschichte des Platzes beschäftigt.

Die aktuelle Diskussion um den Bau einer Tiefgarage unter dem Domplatz knüpft an eine lange Tradition an: Dieser Stadtbereich ist ein besonders konfliktträchtiges Pflaster. Geschichtlich gesehen hat der autonome Bezirk der Domimmunität für die Stadt immerzu einen „Stachel im Fleisch“ dargestellt, wie der Historiker Professor Frank Göttmann erklärt. Ein über 150 Jahre andauernder Streit um die Verlegung des Domfriedhofs zeigt, dass das Paderborner Domkapitel dabei nicht immer das letzte Wort behielt.

Neben den Konflikten sind auch scheinbar nebensächliche Dinge noch immer auf dem Domplatz anzutreffen: Den Bratwurstgeruch, der hier an Markttagen vorüberweht, den gab es schon vor 300 Jahren, damals noch auf besagtem Friedhof. 1623 konnten die Bürger beim Imbiss Baen „eilig und sofort“ eine Bratwurst auf die Hand kaufen, wie es Genehmigungsdokumente des Domkapitels überliefern. In diesem Schriftstück zeigt sich dann auch ein interessanter Unterschied zu heute: Damals hat man die Kirche noch gefragt wenn man ein Gewerbe auf ihrem Grund und Boden eröffnen wollte. 

Die Verlegung des Domfriedhofs ersuchte das Paderborner Domkapitel schließlich als es die Situation für nicht mehr angebracht hielt. Denn nicht nur Verkauf fand auf dem Friedhof statt, auch streunten einige Tiere umher, und gelegentlich rollte ein Fuhrwagen durch die Gräberreihen zum Kornspeicher des Domkapitels. Hinter dem Anliegen des Klerus den Friedhof vor die Stadtmauern zu verlegen steckte jedoch, so vermutet Frank Göttmann, noch mehr als die Sorge um Gebetsruhe. Der Historiker, der sich in seiner Forschung und Publikationen ausgiebig mit der neuzeitlichen Geschichte Paderborns befasst hat, kommt zu dem Schluss, dass dem Domkapitel an einer repräsentativen Gestaltung des Domvorplatzes gelegen war.

Durchaus einleuchtend, wenn man sich vor Augen hält, in welchem Zustand sich der Platz selber im 18. Jahrhundert befand. „Die Friedhofsmauer versperrte den Domherren von ihren Häusern aus die Sicht auf den Dom“, so erklärt Göttmann. Zudem war der Friedhof selber alles andere als gut in Schuss: Nicht tief genug bestattete Leichen kamen stellenweise zum Vorschein, und das Bodengefälle des Platzes führte Oberflächenwasser Richtung Dom, und damit zu erheblichen Nässeschäden in vorgelagerten Seitenkapellen.

Ein ansehnlicher Domvorplatz sollte dem Paderborner Domkapitel eine angemessene Repräsentation seiner Stellung ermöglichen. „In anderen Bistümern zeigte man sehr anschaulich, wie eine solche Neugestaltung aussehen konnte“, erklärt der Historiker. So wurde in Münster von Barockbaumeister Johann Conrad Schlaun höchstpersönlich der Domhof in einen mit Sichtachsen durchzogenen, begrünten Flanierplatz verwandelt. Die Paderborner Bürgerschaft indes empörte sich über derartige Pläne – und dies durchaus erfolgreich. Als Gegenargument führte sie insbesondere die schlechten Wege vor der Stadt und höhere Transportkosten ins Feld.

Überlegungen zu Transportwegen und Kosten sind auch heute wieder Argument, wenn es um den Bau einer Tiefgarage im Zentrum der Altstadt geht. Die Fronten verlaufen freilich nicht mehr zwischen Stadt und Kirche, wenngleich sich an den Besitzverhältnissen hier faktisch wenig geändert hat. Diskutiert wird heutzutage vor allem im Rathaus, während sich die Kirche eher zögerlich äußert. Vielleicht ist man dort auch etwas verwirrt - plant ein Teil der Bürgerschaft doch scheinbar eine verspätete Umlagerung der Toten, um sich ein Parkparadies inmitten der Domimmunität zu bauen.

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