Kunstgeschichte, Forschungsprojekte, Kultur Regional, von Moritz Schäfer, 24.08.11

Lemgoer Künstler passt in keine Schublade

Abschlussarbeit über Karl Junker als Buch veröffentlicht

Künstlerisches Manifest oder Außenseiterkunst? Carolin Mischer forschte für ihre Abschlussarbeit über den Lemgoer Künstler Karl Junker. (Foto: Moritz Schäfer)

Warum macht jemand so etwas? Das ist wohl die erste Frage, die einem Besucher des Lemgoer Junkerhauses durch den Kopf geht. In jahrelanger Arbeit verzierte dessen Namensgeber, Karl Junker, das Gebäudes mit phantasievollen Schnitzereien, fertigte Zier- und Einrichtungsgegenstände in mühsamer Handarbeit. Eine Paderborner Studentin ließ die Frage nach dem Warum nicht mehr los. 2010 schrieb sie ihre Abschlussarbeit über das Werk des eigenwilligen Künstlers, die jetzt als Buch erschienen ist.

„Bevor ich mit der Arbeit begonnen habe, kannte ich das Junkerhaus gar nicht“, sagt Carolin Mischer. Bis zum Sommer 2010 war sie Studentin an der Universität Paderborn, absolvierte hier den Masterstudiengang Kulturerbe.  Für ihre Abschlussarbeit standen verschiedene Themen zu Wahl, das Rennen machte am Ende das sonderbare Haus in Lemgo. „Ich habe zuerst ein bisschen im Internet über Junker recherchiert und da wurde mir schnell klar, das ist es“, sagt Mischer, die heute als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Paderborn arbeitet.

Von der individuellen Gestaltung des Lemgoer Hauses sei sie sofort fasziniert gewesen. Umso mehr vielleicht, weil es bei vielen Menschen lange Zeit Ablehnung hervorrief und manchem sogar Angst einflößte. „Wenn man sich einmal anschaut, wie die Leute Junkers Schaffen im laufe der Jahre interpretiert haben, das ist schon eine spannende Geschichte.“ Damit spielt Mischer auf die Uneinigkeit über Junkers Werk an, die in Expertenkreisen herrscht. „Die Meinungen über ihn und sein Werk gehen seit jeher auseinander“, sagt sie. „Viele sehen in seinen Arbeiten das Schaffen eines Geisteskranken, andere wiederum das eines eigenwilligen Künstlers.“

Zur These der Geisteskrankheit haben sicher auch die Zeitzeugenberichte über Junker beigetragen. Als ruhiger Mann wird er beschrieben. Wortkarg und von wüstem Aussehen. Das Haar wirr vom Kopf abstehend, das Hemd oft aus der Hose hängend, ein dichter Vollbart, der den Kindern Angst machte. Ein Einsiedler, wie die Lippische Landes-Zeitung in einem Nachruf vom Januar 1912 feststellte, der „in völliger Zurückgezogenheit lebte und nur seinen Ideen nachging.“

In den späten 1920ern, nach Junkers Tod, begann die Fachwelt sich mit dessen Kunst auseinanderzusetzen. Es waren allerdings nicht die Kunsthistoriker, sondern Psychologen. Sie schlossen von den Bildern und Holzarbeiten Junkers auf dessen Gesundheitszustand, attestierten ihm eine „Geisteskrankheit aus dem Gebiet der Schizophrenie“. „Dafür gibt es aber keinerlei Belege“, weiß Mischer. „Er war auch nicht Patient der Psychologischen Anstalt, die nur wenige Meter von seinem Grundstück entfernt liegt.“

In den 60er Jahren wird Junkers Werk als Kunst anerkannt. Es erweist sich jedoch als schwierig, seine Arbeiten einer bestimmten Kunstrichtung zuzuordnen. „Es gibt sicher eine Anlehnung an Expressionismus und Impressionismus“, sagt Mischer. „Aber Junkers Arbeiten haben dennoch etwas ganz Eigenes, nicht Vergleichbares.“

In jüngster Zeit versucht man Junker in einer neuen Sparte unterzubringen: der Außenseiterkunst. „Der Begriff beschreibt eine Art von Kunst, die außerhalb der Normen liegt“, erklärt Mischer. „Sie wird von Laien, Kindern oder Menschen mit geistiger Behinderung produziert.“ Aber da liegt laut Mischer das Problem: „Junker war weder krank noch Laie.“ Immerhin habe er nach seiner Ausbildung zum Tischler an der Akademie der Bildenden Künste Malerei studiert.

Vielleicht gibt es für Junker einfach keine passende Schublade. „Der Begriff ‚Junkerstil’ hat sich nie etabliert“, so Mischer. „Heute sieht man seine Kunst leider wieder allzu oft unter dem Aspekt der Geisteskrankheit.“

Dass es sich jedoch lohnt, dem eigenwilligen Mann aus Lemgo von anderen Seiten zu begegnen, das beschreibt Carolin Mischer aufschlussreich in der jüngst erschienenen Publikation „Das Junkerhaus in Lemgo und der Künstler Karl Junker“.

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