Wie haben eigentlich die Menschen vor über 200 Jahren gelebt? Wie sahen ihre Häuser aus, welcher Arbeit gingen sie nach? Und wovon haben sie sich ernährt, welche Tiere gehalten, welche Pflanzen angebaut? Wer auf Fragen wie diese eine Antwort sucht, den wird es früher oder später in ein Freilichtmuseum ziehen. Spannend sind jedoch nicht nur die Geschichten, die in den Museen erzählt werden. Auch ein Blick auf die Geschichte der Freilichtmuseen selbst lohnt sich.
„Angefangen hat es gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Skandinavien“, sagt Dr. Jan Carstensen. Er weiß viel um die Entwicklung und Verbreitung dieser Institutionen zu erzählen, ist Direktor des größten deutschen Freilichtmuseums in Detmold und seit August 2011 Präsident des Verbands Europäischer Freilichtmuseen. „Die Idee ist im Grunde aus einer Art Verlustgefühl entstanden, das mit der beginnenden Industrialisierung aufkam“, so Carstensen weiter.
In Schweden habe man damals gesehen, dass sich die ländliche Kultur durch den Abriss alter Gebäude und andere Umstände auflöste. „Der Gedanke war dann, dass man diese Kultur für die Nachwelt dokumentieren und erhalten muss.“ So wurde 1891 in Skansen nahe Stockholm das erste Freilichtmuseum gegründet. „Das war der Ausgangspunkt für alle europäischen Freilichtmuseen.“
Regionale Kulturgeschichte an einem zentralen Ort begehbar machen – vom skandinavischen Raum verbreitete sich dieser Gedanke in alle Himmelsrichtungen. Inzwischen existieren Museen dieser Art auch in Nordamerika, Japan und Australien. Einzig im südeuropäischen Raum hat sich die Idee bis heute nicht etablieren können. „Das liegt daran, dass es dort eine wirklich hohe Anzahl von Denkmälern gibt, die sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Es besteht einfach kein Bedarf“, so Carstensen.
Vielleicht nur eine Frage der Zeit, denn die Ursprüngliche Form der Freilichtmuseen hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt. Heute gelten sie als modern aufgestellte Kulturbetriebe mit einem breiten Angebot. Neben der Präsentation von Vergangenheit geht es dabei vor allem um den geistigen Anschluss an die Gegenwart. Während man zu Beginn der Bewegung den Focus etwa auf Häuser legte, die aus dem 18. Jahrhundert stammten oder noch älter waren, werden vielerorts inzwischen bereits Exponate aus dem 20. Jahrhundert präsentiert.
Auch in Detmold arbeitet man derzeit an einem Bauprojekt, das einmal dörfliches Leben um 1960 widerspiegeln soll. „Damit liegen wir schon weit vorne“, stellt Museumsleiter Carstensen fest. In Skandinavien bleibe man allerdings auch in dieser Hinsicht der Vorreiterrolle treu: „Da gibt es in einigen Museen inzwischen sogar Gebäude aus dem 21. Jahrhundert.“
Ein Ensemble alter Gebäude, die den Charme vergangener Tage verbreiten, Junge Familien, die am Wochenende mit dem Bollerwagen über altes Kopfsteinpflaster flanieren. Schulklassen, die laut tobend durch die alten Häuser springen, Kerzen von Hand herstellen oder eigenes Brot backen. Das erweckt schnell den Eindruck, dass man sich eher in einem Freizeitpark und nicht etwa in einem Museum befindet. Auch Carstensen weiß das nur zu gut: „Damit haben wir oft zu kämpfen. Natürlich spielt der Freizeitfaktor bei uns eine Rolle, aber das heißt nicht, das wir darüber unseren Bildungsauftrag vergessen.“
Das zeigen vor allem die zahlreichen Sonderausstellungen, bei denen man sich ebenfalls stets um einen aktuellen Bezug zur Gegenwart bemüht. Themen wie der demografische Wandel oder die Migration in der jeweiligen Region greifen immer wieder gesellschaftliche Fragestellungen mit aktuellem Bezug auf. „Wir versuchen uns natürlich auch in Zukunft weiterzuentwickeln“, sagt Carstensen. „Vom Freilichtmuseum generell und auch in Detmold ist in Sachen Innovation noch einiges zu erwarten.“
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