Gegenwartskultur, Denkmalpflege, Kultur Regional, von Christiane Gronenberg, 03.11.11

Eau de Métropole

Paderborn und die Maßstäblichkeit im Bauen

Aufschauen! … abgucken, nachbauen - Könnte dies eine Baustrategie für Paderborn sein? (Foto: Moritz Schäfer)

„Was die Menschen an der Stadt München schätzen, das ist ihre Dörflichkeit.“ Die Paderborner Dombaumeisterin Emanuela von Branca lächelt wohlwollend als sie diesen Satz formuliert. Während unseres Gespräches in ihrem Büro, keine 30 Meter Luftlinie vom Dom entfernt, fällt der Name dieser süddeutschen Metropole mehrere Male. Von Branca ist gebürtige Münchenerin, seit nunmehr drei Jahren lebt sie in Paderborn. Ihren neuen Wohnort hat sie ins Herz geschlossen, das sagt sie mit Überzeugung. Ihre detaillierten Kenntnisse der architekturgeschichtlichen Eigenarten Paderborns lässt an dieser Wertschätzung keinen Zweifel. Doch Von Branca beweist auch, dass oftmals besonders das was uns am Herzen liegt, auch Ziel wohlwollenden Kritik sein kann.

Dörflichkeit in einer Großstadt, das sei also das Rezept für die besondere Atmosphäre Münchens. Auch in Paderborn spielen solche Ingredienzien eine identitätsstiftende Rolle. Das weiß aber nicht nur die Dombaumeisterin: Lokale Gästeführer pendeln in ihren Geschichten zwischen der Darstellung dörflicher Kleinsichtigkeit und metropolitanen Allüren. Die offizielle Bezeichnung Großstadt wird hier und dort zwar herausgekehrt, doch bereits der nächste Halbsatz erinnert daran, dass es das „Dorf“ eben nur mit seinen Eingemeindungen in die Liste deutscher Großstädte geschafft hat. Daran lässt sich derweil gut erkennen, dass Die Anzahl der Einwohner wenig über die tatsächlichen Qualitäten einer Stadt aussagt. Laut Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung ist Paderborn mit seinen 150 000 Einwohnern eindeutig Großstadt. Ob die Menschen es tatsächlich als große Stadt wahrnehmen ist hingegen äußerst fraglich. Noch fraglicher ist, ob  Paderborn überhaupt eine Großstadt sein will. Diese Frage wird freilich nicht im Büro der Dombaumeisterin entschieden. Doch was sie zu Paderborns Identität als Großstadt sagt, das sagt sie in eindringlichem Ton.

„Maßstäblichkeit“ ist das Schlüsselwort das Emanuela von Branca in diesem Zusammenhang immer wieder gebraucht. Sie meint eine Maßstäblichkeit wie sie in einigen Paderborner Bauten der 50er Jahre zum Ausdruck kommt, etwa der ursprünglichen Stadtverwaltung. Jene unprätentiöse, bedachte Herangehensweise wünscht sich Von Branca auch für die Gestaltung des heutigen Stadtbildes. Paderborn, so sagt sie weiter, probiere sich in den Wettbewerb der Großstädte wie Hannover oder Bielefeld einzureihen. Das „Implantieren von Großstadtgeruch“ in Paderborn birgt jedoch die Gefahr einer nicht länger authentischen Weiterentwicklung der Stadt. Maßstäblichkeit heißt für die Architektin auch, „das Baurecht nicht unbedingt immer so weit wie möglich auszuschöpfen“. Denn während eine sehr große Stadt – wie München – vereinzelte prestigeträchtige, vielleicht sogar überdimensionierte Projekte verkraften können, ist für eine Stadt wie Paderborn Vorsicht geboten: ein Neubau im Format Kötterhagen hat enorme Auswirkungen auf die städtische Gesamtidentität. Und ebenso enorm ist der städtebauliche Fehltritt, wenn sich ein solches Projekt als zu anmaßend herausstellt.

Aber wie soll und kann Paderborn denn nun konkret bauen, konkret weitermachen, frage ich. Ihre Antwort formuliert sie mit Sorgfalt: Die Stadt müsse vor allem ehrlich mit ihrem „ureigenen“ Charakter umgehen. An sich findet die Dombaumeisterin die Absicht, sich des dörflichen touches entledigen zu wollen keineswegs verwerflich. Doch ein übermäßiges Parfümieren mit Eau de Métropole werde eben nicht der richtige Weg sein. „Zu starkes Parfüm“, sagt Von Branca lächelnd, „das verdirbt nicht nur den eigenen, ‚feinen’ Duft Paderborns, sondern schädigt auf Dauer auch den Geruchssinn.“ Wie aber findet man nun die richtigen Dosierungen zwischen althergebrachten Wässerchen und den neuen Prestigeprodukten? Man fragt hin und wieder jene Fachleute um ihre Meinung, die noch einen Hauch des tatsächlichen Eau de Métropole in der Nase haben.

Aufschauen! … abgucken, nachbauen - Könnte dies eine Baustrategie für Paderborn sein? (Foto: Moritz Schäfer)

Großstadtluft am Kötterhagen. Die Architektin empfiehlt einen wohlüberlegter Einsatz dieser metropolitanen Frische, denn auch der „zarte Duft der kleinen Stadt“ soll bewahrt werden. (Foto: Moritz Schäfer)

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