Zeitgeschichte, Erinnerungskultur, von Nadine Hoffmann, 10.11.11

Wendepunkte der deutschen Geschichte

Der "Schicksalstag" 9. November

Novemberrevolution 1918, Hitler-Ludendorf-Putsch 1923, Reichskristallnacht 1938, der Fall der Mauer 1989: Schicksalstag 9. November. (Bildmaterial: Wiki Commons)

Wohl kein anderes Datum der deutschen Geschichte ist so emotionsgeladen und wird so kontrovers diskutiert wir der 9. November. Nicht ohne Grund bezeichnet man ihn auch als „Schicksalstag der Deutschen“. Denn gerade im 20. Jahrhundert fallen eine Reihe von Ereignissen auf dieses Datum, die in der deutschen Geschichte Wendepunkte darstellen, deren Folgen teilweise auch auf internationaler Ebene Auswirkungen mit sich ziehen.

Dieser Tage wurde in ganz Deutschland mit verschiedensten Gedenkveranstaltungen der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 gedacht. In der Nacht vom 9. zum 10. November wurden vor 75 Jahren ca. 7500 jüdische Geschäftshäuser demoliert und etwa 190 Synagogen in Brand gesteckt – der schreckliche Höhepunkt der nationalsozialistischen Ausschreitungen gegen die Juden vor dem Krieg. Man könnte den Eindruck bekommen, dass das Datum des 9. November ein Datum der Nationalsozialisten sei. Bereits 1923 geht das Datum mit dem Hitler-Ludendorf-Putsch in München in die Geschichtsbücher ein. Der damals noch recht unbekannte Adolf Hitler rief im Münchner Bürgerbräukeller die „Nationale Revolution“ aus und erklärte „die Regierung der Novemberverbrecher in Berlin“ für abgesetzt. Der Putsch endete im Kugelhagel der Münchner Landespolizei, Hitler wurde festgenommen. Auch wenn der Putsch an sich erfolglos verlief, die NSPAD und Hitler formierten sich neu und erlangte 1933 die Macht.

Der Hitler-Ludendorf-Putsch und die Reichspogromnacht sind Ereignisse, die den 9. November zu einem negativ besetzten Jahrestag werden ließen. Jedoch sind nicht alle historischen Ereignisse, die auf dieses Datum fallen, traurige Begebenheiten in unserer Geschichte. Im Gegenteil. Gerade in der der jüngsten Geschichte der Bundesrepublik ist dieses Datum verbunden mit einem freudig und lang ersehnten Geschehen seit der Gründung der Bundesrepublik. „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ so Willy Brandt am 10. November 1989, ein Tag nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze. Am 9. November vor 22 Jahren fiel die Mauer, die Deutschland zuvor 28 Jahre trennte und beide deutschen Staaten wiedervereinte. Ein Ereignis, das über die Landesgrenzen hinweg bedeuten war. Ein wiedervereintes Deutschland in der Mitte Europas wurde von vielen Nachbarstaaten kritisch beäugt – die Erfahrungen des II. Weltkrieges waren zu noch frisch. Doch selbst die Siegermächte vermochten sich nicht einen so enorm demokratischen Prozess zuwidersetzten. Die Wiedervereinigung ging vom Wille des Volkes aus, ein durch und durch demokratischer Prozess. Heute wird die deutsche Einheit auch als Produkt der globalen Entspannungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg verstanden. Im wahrsten Sinne des Wortes ein „Schicksalstag der Deutschen“. Denn in der Vergangenheit finden sich noch mehr, für Deutschland wichtige Ereignisse – beispielsweise die Novemberrevolution 1918 – die für die Historie und Demokratiegeschichte unseres Lande von Bedeutung sind.

Das wir heute den Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober (der Tag, an dem die deutsche Einheit vollzogen wurde) und nicht am 9. November, dem eigentlichen Datum des Mauerfalls feiern, liegt an der negativen Besetzung des Datums durch die Geschehnisse von 1923 und 1938. Gedenken an Opfer und gleichzeitige Freude über die Ereignisse lassen das Datum zu einem der emotionalsten Daten der deutschen Geschichte werden. Der 9. November – ein Tag, der vielleicht wie kein anderer mehr als hundert Jahre deutsche Geschichte widerspiegelt.

 

 

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