Medien, von Katherina Ibeling, 22.11.11

Urlaub vom Trauma

Théâtre du Pain über Leben und Leiden des modernen Menschen

In den Rollen von Herrn Sch. (Karl-Heinz Schmittke) und Herrn T. (Hans-Peter Teich) erzählen und besingen Hans König und Mateng Pollkläsener tragikomische Geschichten zwischen Businessmeetings und chinesischer Medizin, Pillencocktails und sauren Gurken, chronischen Verdauungsbeschwerden und der unvermeidbaren Frage nach der eigenen Identität.

Was hat es mit dem Leben und Leiden des modernen Menschen auf sich? Einen satirischen Einblick in diese Problematik erhielten die Besucher des Kleinkunsttheaters Amalthea Mitte November. Die Kabarettisten der Gruppe Théâtre du Pain präsentierten ihr Programm Urlaub vom Trauma. Das Aufführungskonzept von Hans König und Mateng Pollkläsener (diesmal ohne das dritte Mitglied Wolfgang Suchner) offenbart sich als unterhaltsame Mischung aus Gesangstheater, Kabarett und klassischer, puristischer Kleinkunst.

Themen, Kunstgriffe und Humor des Théâtre du Pain erinnern zwangsläufig an die satirischen Seitenhiebe der britischen Schauspieltruppe Monty Python. In sehr schwarzhumoriger und bissig-ironischer Weise nehmen König und Pollkläsener Bezug auf die skurrilen Elemente des modernen menschlichen Alltagslebens in den Industriegesellschaften. In den Rollen von Herrn Sch. (Karl-Heinz Schmittke) und Herrn T. (Hans-Peter Teich) erzählen und besingen sie tragikomische Geschichten zwischen Businessmeetings und chinesischer Medizin, Pillencocktails und sauren Gurken, chronischen Verdauungsbeschwerden und der unvermeidbaren Frage nach der eigenen Identität. Parallel hierzu ist der Bühnenraum in „Telefonzone“, „Bikinizone“ und „Chillzone“ unterteilt – Anlehnungen an Beruf, Fernweh und ein häufig zu kurz kommendes Privatleben.

Die „Handlung“ – wenn man die assoziative Abfolge von Beiträgen so nennen kann – spielt sich bezeichnenderweise in der unbewussten Sphäre der Träume ab, wo Herr Sch. und Herr T. sich regelmäßig begegnen. Hier tummeln sich – nach Freud gesprochen – die unterdrückten Wünsche, Ängste und Fantasien der im Alltag so soliden Geschäftsmänner Schmittke und Teich. Im Traum ist vieles erlaubt, und König und Pollkläsener sparen auch nicht an überspitzten, skurrilen Elementen. Von Akupunktur mit Haushaltsnägeln über „selbstbewusste Minderwertigkeitskomplexe“ außerhalb wichtiger gesellschaftlicher  Funktionen bis hin zu sklavischem Vergötterungsverhalten  greifen die Akteure in Szene und Lied eine Vielzahl von Lebenselementen auf, um diese schonungslos zu karikieren. Schnell wird klar: Das Trauma ist nicht nur im Titel der Vorstellung Programm – es weitet sich über die gesamten Lebens- und Leidensgeschichten der Protagonisten aus.

Freilich löst diese derbe Form satirischer Darstellung zunächst lautes Gelächter beim Publikum aus. Sie ist eben – der Traumsphäre entsprechend – zu skurril, um wahr zu sein. Der aufmerksame Beobachter erkennt aber hinter dieser Fassade des Komischen schnell die Tragik im Leben der beiden Männer, wenn nicht gar die des modernen Menschen. Zwischen Endlosdiskursen über den besten Handytarif, unaussprechlichen medizinischen Begriffen für psychosomatische Krankheitsbilder, dem Wettstreit um das innovativste „Business-Concept“ und der ständigen Furcht vor der eigenen Mittelmäßigkeit entlarvt sich ein Teil menschlichen Daseins in einer Wettbewerbsgesellschaft, wenn nicht sogar ein Teil des eigenen Selbst. Doch was ist eigentlich noch das Selbst? Wer bin ich noch? Mit dieser Frage verweist das Théâtre du Pain auf die schier unendliche Suche nach Identität und Selbstbehauptung zwischen Masse, Konsum und Idealbildern. Lösungsvorschläge bietet das Stück nicht, dafür eine Menge Stoff zum Nachdenken.

Das Programm  Urlaub vom Trauma lohnt sich, sofern man bereit ist, sich zu kritischen Gedanken anregen zu lassen. Entlohnt wird man in diesem Fall auch mit purer, bissiger Satire, die Spaß macht. Persönliches Fazit: Unbedingt empfehlenswert! Mehr Informationen über das Théâtre du Pain  und das Programmangebot sind auf der Webseite www.theatredupain.de zu finden.

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