Gegenwartskultur, von Melanie Wigger, 07.12.11

Emma war gestern, jetzt kommen die Feuchtgebiete!

Im Feminismus zeichnet sich ein Wechsel der Generationen ab

Ner neue Feminismus? Mit den "Waffen einer Frau" stellt sich eine neue Generation ins Zentrum (Zeichnung: Melanie Wigger)

Sie hassen Männer, sind hässlich und frigide. Sie verstehen keinen Spaß, verbrennen ihre BHs und eifern Alice Schwarzer nach. Es gibt sie noch, die alten Vorurteile über Feministinnen. Doch sie sind schon ein wenig in die Jahre gekommen. Im Gegenzug fällt vor allem in den Medien der Blick auf eine neue Generation von Frauen, welche die Rechte und Interessen ihres Geschlechts thematisieren. Auch sie werden mit Vorurteilen versehen, erscheinen stereotyp.

Die sogenannte Postfeministin –  oder 'Alphamädchen' – liest demnach Feuchtgebiete von Charlotte Roche, gibt sich selbstbewusst frech und behauptet sich mit 'weiblichen Waffen'. Diese jungen Frauen zeigen sich gern modisch und sexy, sind angeblich erfolgreich durch ihre Frauenpower. Von Seiten ihrer feministischen Vorgängerinnen werden sie harsch kritisiert: Der Feminismus werde kommerziell vermarktet und wirke dadurch trivial. Was steckt hinter dieser neuen Generation?

Um zu verstehen, was sich hinter dem Begriff Postfeminismus verbirgt, muss man sich mit teils gegensätzlichen Definitionen befassen. So kann man darunter ganz allgemein die Weiterführung der feministischen Bewegung verstehen. Die Vorsilbe 'Post-' wird dabei zur zeitlichen Einordnung eingesetzt. Sie kann aber auch stellvertretend für die Einstellung der Nachfolgerinnen gesehen werden, die den Feminismus für beendet halten, sich von ihm abgrenzen. Sie kritisieren die Annahme eines einheitlichen Frauenbildes und vertreten vielfältige Identitätskonzepte. Medial am stärksten verbreitet ist das Bild der selbsternannten Postfeministinnen. Sie erklären den Feminismus quasi für 'tot' und sind der Meinung, die feministischen Zielsetzungen seien bereits erfüllt.

„Sie plädieren vielmehr für Selbstverantwortung, für individuelle Wahl- und Entscheidungsfreiheit, die keinen politischen Gruppeninteressen untergeordnet werden dürfen“, erklärt Gesche Gerdes von der Universität Münster. Sie hat sich im Rahmen ihrer Dissertation ausführlich mit dieser neuen Frauenbewegung auseinandergesetzt. Laut Gerdes wird der Begriff des Postfeminismus vor allem durch die sich abgrenzende Gruppe geprägt. Das führe jedoch nicht selten zur übereilten Schlussfolgerung, dass junge Frauen den Feminismus für nicht mehr zeitgemäß halten. Die beiden Generationen der Frauenbewegung wirken somit gegensätzlich orientiert und rivalisierend. Gerdes verweist im Gegensatz dazu darauf, dass die Fremdzuschreibung junger Frauen als vermeintliche Postfeministinnen nur ein Hilfsmittel zur Einordnung unterschiedlicher Einstellungen innerhalb der aktuellen Frauenbewegung sei. Sie hinterfragt also nicht nur das Label 'Postfeminismus', sondern unterscheidet ebenso deutlich zwischen einer postfeministischen Einstellung als von außen vorgenommene Kategorisierung einerseits und Selbstkonzept junger Frauen andererseits.

Gerdes hat sich vor allem mit beispielhaften Selbstkonzepten vermeintlich postfeministischer Theatermacherinnen aus dem Bereich der Popkultur auseinandergesetzt. Dazu bezieht sie sich auf Interviews mit den Künstlerinnen, die in der feministischen Zeitschrift Missy Magazine veröffentlicht wurden. Hier finden sich Stellungnahmen zur feministischen Orientierung der Befragten, die laut Gerdes zeigen, dass der Feminismus ein fester Bestandteil des Selbstverständnisses dieser Frauen ist. Also keine postfeministische Gruppierung gegen alte Traditionen der Frauenbewegung?

„Die untersuchte Gruppe entspricht nicht dem gängigen Verständnis von Postfeminismus“, erklärt Gerdes. „Die Künstlerinnen gehören nicht zu einer postfeministischen Generation, die nur ihre eigenen Interessen und Karrierechancen im Blick hat und außerdem sexistische Normen als Wahlfreiheit verkauft“. Die Beispiele würden vielmehr verdeutlichen, dass feministische Kritik am herrschenden Geschlechterverhältnis auch unter jungen Frauen immer noch aktuell sei. Postfeministinnen lassen sich demzufolge nicht nur als ein popkulturelles Phänomen begreifen, sondern sind durchaus in der Lage feministische Traditionen weiterzuführen und neu zu beleben. Sich selbst möchte Gerdes, wie die von ihr untersuchten Frauen, ebenfalls nicht als Postfeministin bezeichnen. „Der Begriff ist so negativ konnotiert. Selbstverständlich verstehe ich mich als Feministin.“

Die Forschungsergebnisse zeigen außerdem, dass Postfeministinnen nicht als einheitliche Bewegung zur Abgrenzung von den feministischen Vorgängerinnen verallgemeinert werden können. Viel eher sollte man, laut Gerdes, von einer Vielzahl postfeministischer Bewegungen sprechen. Sie alle zeigen zwar unterschiedliche Ideale, vereinen sich aber gleichzeitig durch ähnliche Bestrebungen, etwa dem Bedürfnis nach einer Gemeinschaft in ihrer Generation und die Bekämpfung gesellschaftlicher Diskriminierung von Frauen. Zur Behebung schlägt Gerdes den Gebrauch der Pluralform 'Postfeminismen' vor – „Damit kann man den unterschiedlichen Ansätzen gerecht werden.“ Im Fokus steht für Gerdes die Vernetzung dieser politischen, vielfältig orientierten Bewegung: „Es gibt viele gemeinsame kulturelle Veranstaltungen, Aktionen und Protestformen, was aber nicht bedeutet, dass es immer so bleibt und gleich ist.“ Der Umgang mit Vielfältigkeit durch eine politische Vernetzung verschiedener Bewegungen gehöre zum zeitgemäßen Feminismus dazu. Auf die Frage, wie die Zukunft der feministischen Bewegungen aussieht, kann es demnach viele Antworten geben. Gerdes betont in diesem Zusammenhang, dass die feministischen Ziele nur teilweise erfüllt seien: „Der Feminismus als politische Bewegung und Theorie ist nach wie vor notwendig.“

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