Zeitgeschichte, von Nadine Hoffmann, 14.12.11

Reise ohne Wiederkehr

Eroberung des Südpols vor 100 Jahren

Amundsen (links) und seine Männer Wisting, Hassel und Hanssen in Polheim, ihrer Basis am Südpol. Stolz blicken sie auf die norwegische Flagge. (Foto: Olav Bjaaland, Quelle: Wiki Commons)

Vor hundert Jahren, am 14.12.1911 erreichten der norwegische Polarforscher Roald Amundsen und sein Expeditionsteam als erste Menschen den geografischen Südpol – fast einen Monat vor seinem Widersacher Robert Flacon Scott.

„Acht Monate später fanden wir das Zelt. Es war teilweise eingeschneit und sah wie ein Schneehaufen aus. […] Im Zelt lagen die Körper von Kapitän Scott, Doktor Wilson und Leutnant Bowers.“ (Edward L. Atkinson, Scott’s Last Expedition, 1923)

Am 12. November 1912 wurden die Leichen von Scott, Edward Wilson und Leutnant Henry Robertson Bowers gefunden – der tragische Höhepunkt der „Terra-Nova-Expedition“ und zugleich des Wettrennens um die Ersterreichung des Südpols. Eine Tragödie, die Männer zu unsterblichen Helden werden ließ.

Der Wettlauf zum Südpol war Teil einer Ära, in der die Antarktis im Mittelpunkt des internationalen Interesses stand. Während des sogenannten „Goldenen Zeitalter der Antarktis-Forschung“ starten sechzehn große Expeditionen unter den Flaggen von acht verschiedenen Nationen. An die zwanzig Männer werden nie wieder aus dem ewigen Eis zurückkehren, überwiegen gestorben an Hunger und Unterkühlung. „Die Antarktis ist ein kompromissloserOrt, der die Besten töten kann.“ (Entscheidung am Südpol, 77° Süd)

Bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert wurden die Impulse für die späteren Expeditionen gelegt: James Cook überquerte per Schiff 1773 als Erster den südlichen Polarkreis, ein gewaltiges Feld mit verschiedenen Eisformationen. Wissenschaftliche Interessen und geografische Erforschungen waren ebenso Triebfeder der darauf folgenden Expeditionen wie das Wetteifern der Nationen, verbunden mit Anerkennung und Rum. Durch den Internationalen Geografischen Kongress 1895, der die Erforschung der antarktischen Regionen als den wichtigsten noch ausstehende Teil geografischer Forschungen deklarierte, wurde die Motivation der Staaten, Expeditionen im Namen der Wissenschaft durchzuführen, angefeuert.

Vier Jahre später, 1899, gelang es der Southern-Cross-Expedition als Erster überhaupt auf dem antarktischen Festland zu überwintern und die Position des ‚antarktischen magnetischen Pols’, dem Punkt der südlichen Hemisphäre, an dem die magnetischen Feldlinien des Erdmagnetfeldes vertikal zur Oberfläche stehen, zu berechnen. 1903 wurde von einer schottischen Expedition die Orcades –Wetterstation eingerichtet, die seit 1904 ständig und damit die älteste ständig bewohnte Station der Antarktis ist. Eine französische Expedition, die ursprünglich als Rettungsmaßnahme gestartet wurde, kartierte und vermaß zwischen 1903-1905 Inseln und die Westküste Grahamlands auf der antarktischen Halbinsel. Anfang des Jahres 1909 stellte Ernest Shackelton einen neuen Südrekord auf: Mit seiner Expedition war er nur noch ca. 180 km vom Südpol entfernt – und kehrte, aufgrund der Entscheidung für eine sichere Rückkehr und gegen das Ziel Südpol, als Held in die Heimat zurück. Bereits drei Monate später verkündete Scott seine Pläne für die Eroberung des Südpols.

Die Welt war im Polarfieber und noch immer war der südlichste Pol unerreicht. Den mit der Eroberung des Südpols verbundenen Prestigegewinn wollte sich auch der Norweger Amundsen nicht entgehen lassen. Schon gar nicht da seine ursprünglich geplante Expedition zum Nordpol scheiterte, nachdem der Amerikaner Robert Edwin Peary 1909 behauptete, den Nordpol erreicht zu haben. Amundsen änderte seine Pläne und brach zum Südpol auf. „Wenn ich mein Ansehen als Forscher aufrechterhalten will, muss ich schleunigst auf die eine oder andere Art einen sensationellen Erfolg vorweisen.“ Der Wettlauf um den Südpol war eröffnet.

Nach einer zufälligen Begegnung der beiden Expeditionen im Eis 1911 berichtet Scott „Wenn er zum Pol kommt, dann, bevor wir dort sind. Denn er ist mit seinen Hunden schnell und bricht sicher ziemlich früh auf.“ Er sollte Recht behalten. Während seine eigenen Männer schlecht vorankamen, er deswegen auf Gewicht verzichten wollte und alle überflüssigen Vorratstaschen zurückließ, kamen Amundsen und seine Männer gut voran. Am 14.12.1911 notierte die norwegische Expedition „hier liegen wir am Südpol, einer außerordentlich flachen Schnee-Ebene“. Der Südpol war erreicht!

Vier Wochen später musste das Team um Scott feststellen, dass sie den Wettlauf um den südlichsten Punkt der Erde verloren hatten. „Alle Tagträume sind dahin. Es wird ein mühseliger Rückmarsch“, notierte Scott, nachdem er die Flagge seines Rivalen erkannte. Ein Rückweg, den die englische Expedition nicht überleben sollte. Scotts Entscheidung, die überflüssigen Provianttaschen zugunsten einer höheren Geschwindigkeit abzuwerfen, erwies sich für die Gruppe als tödlicher Fehler.

Am 9. März 1912 erreichte London die Nachricht von Amundsens Triumph – von Scott dagegen war nichts bekannt. Fast 1 Jahr nach der erfolgreichen Rückkehr Amundsens erreichte London die offizielle Nachricht vom Tod Scotts und seiner Leute. Scott wurde zum Nationalhelden stilisiert, während die Leistung Amundsens in den Hintergrund trat.

 

Der Wettlauf um den Südpol kann wohl als tragischer Höhepunkt des „Goldenen Zeitalters der Antarktis-Forschung“ gesehen werden. Ihm folgten noch 5 weitere große Expeditionen in denen noch weitere Männer ihr Leben ließen. Aber keine der Nachfolgenden blieb so im Gedächtnis wie die Expeditionen des Jahres 1911. Amundsen gewinnt den Wettlauf – die (tragische) Heldenfigur aber ist Scott.

Amundsen (links) und seine Männer Wisting, Hassel und Hanssen in Polheim, ihrer Basis am Südpol. Stolz blicken sie auf die norwegische Flagge. (Foto: Olav Bjaaland, Quelle: Wiki Commons)

Als Scott und seine Männer den Pol erreichen, finden sie Amundsens verlassene Basis. Von links nach rechts: Scott, Bowers, Wilson und Bootsmann Evans. (Foto aufgenommen von Lawrence Oates, Quelle: Wiki Commons)

Scotts Team am Südpol, 18. Januar 1912. Von links nach rechts: (stehend) Oates, Scott, Wilson; (sitzend) Bowers, Edgar Evans (Bild: Wiki Commons)

Scott in der "Terra-Nova-Hütte" am Kap Evans. (Foto: Herbert Ponting, Quelle: Wiki Bommons)

Die Hütte existiert noch heute. Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2000. (Foto: Kuno Lechner, Quelle: Wiki Commons)

Der Sieger des Wettrennens zum Südpol: Roald Amundsen. Auch nach 1911 blieb er der Polarforschung treu. Als Leiter einer Rettungsaktion in der Arktis brach er 1928 auf und kehrte nicht zurück. (Quelle: Wiki Commons)

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