Gegenwartskultur, von Markus Lauert, 19.12.11

Einmal Lehramt á la Bologna, bitte!

Was die neuen Lehratmsstudiengänge von den alten unterscheidet

Wer in diesem Semester mit einem Lehramtsstudium beginnt, hat es häufig gehört: Alles sei neu und man habe großes Glück die Chance zu bekommen, dieses neue Studium zu genießen. Als Erstsemester stellt sich zwangsläufig die Frage: Alles ist neu, aber ist es auch besser? Was genau unterscheidet den neuen Studiengang vom alten?

Das Wintersemester 2011/12 läutet einen Wandel in der Lehrerausbildung ein. Die alte Struktur – sie stammt aus dem Jahre 2003 – wird zugunsten des Neuen Lehramts aufgegeben. Die gesetzlichen Grundlagen wurden bereits 2009 in Nordrhein-Westfalen gelegt. Bildung ist die Angelegenheit der Länder und NRW damit Vorreiter auf dem Gebiet der Lehrerausbildung. Man möchte meinen, dass der Rest Deutschlands gespannt in den Westen späht.

Elf Jahre nach Bologna kommt die Umstellung der Studiengänge zu Bachelor- und Masterstudiengängen auch bei den deutschen Lehrämtlern an. Über die Europäisierung und Standardisierung der universitären Bildung lässt sich streiten, doch in NRW hat sich in den Lehramtsstudiengängen weit mehr getan als der Wandel nach Bologna-Art. Es scheint so, als habe die harsche Kritik am Bildungssystem im letzten vom PISA-Schock erschütterten Jahrzehnt einen beträchtlichen Einfluss auf die Ingenieure des Neuen Lehramts gehabt.

Durch verschiedene Faktoren soll die Lehrerausbildung gezielt verbessert werden. Die Lehrämter wurden nach den unterschiedlichen Schulformen gegliedert und angepasst. Die Studierenden haben die Wahl zwischen dem Lehramt an Grundschulen, an Haupt-, Real-, Gesamtschulen, an Gymnasien und Gesamtschulen sowie an Berufskollegs. Alle vier Varianten sind jeweils zehn Semester lang (sechs Semester im Bachelor und weitere vier im Master) und ziehen einen anderthalbjährigen Vorbereitungsdienst nach sich.

Man spricht von Gleichwertigkeit und im selben Atemzug davon, dass es keine Gleichartigkeit gebe. Damit meint man, dass sich die vier Studiengänge bei gleicher Dauer inhaltlich unterscheiden. Ein angehender Grundschullehrer wird sich zum Beispiel länger und intensiver mit den Bildungswissenschaften – also pädagogischem Grundlagenwissen – beschäftigen als ein werdender Gymnasiallehrer. Dessen Fokus liegt vor allem auf den einzelnen fachlichen Disziplinen, die er studiert. Abenteuerlichen Kombinationen wie Hauptschullehramt für Sport und Religion wird der Riegel vorgeschoben. Es gibt klare Vorgaben, welche Fächer kombinierbar sind und welche nicht. Das Vorurteil vom faulen Lehrer wird ins Wanken gebracht.

Wunschziel ist, dass Studierende von Anfang an wissen, was sie im Berufsleben erwartet. Die Praxisphasen innerhalb des Studiums hat man um ca. sechs Monate verlängert. Vor dem Gang an die Hochschule muss zudem ein Eignungspraktikum absolviert werden. Es soll erste Erfahrungen im Lehrerberuf spenden und einen Einblick in das System Schule aus der „Lehrerperspektive“ ermöglichen. Fragen wie „Was erwartet mich im Beruf?“ oder „Was wird von mir verlangt?“ werden so im Vorfeld beantwortet.

Die neue Ordnung ist also nicht bloß eine Verlängerung der Praxisphasen. „Vielmehr ist die angestrebte Verkettung von Studium und Beruf, Theorie und Praxis bedeutsam“, gibt Tanja Heggen vom Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbildung an der Universität Paderborn (kurz: PLAZ) zu bedenken. Diesem Umstand ist auch die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes von zwei auf anderthalb Jahre geschuldet.

Ein weiteres Novum ist die Einführung des für alle Lehramtsstudenten verpflichtenden Moduls „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte“ (kurz: DaZ). DaZ soll eine Hilfe im Umgang mit Schülern sein, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Ob die gestellten Anforderungen in diesem Bereich gestemmt werden, ist abzuwarten.

Abgesehen von den berufsbezogenen Änderungen wird das Lehramtsstudium dank dem Ersatz des Staatsexamens durch die Masterprüfung flexibler. Schwerpunktwechsel sind im Rahmen des Übergangs vom Bachelor- zum Masterstudiengang möglich. Ein Physik-Lehramtsstudent kann jetzt beispielsweise nach dem Abschluss des Bachelors auf den reinen Physikstudiengang umsatteln, ohne sein Lehramtsstudium abbrechen zu müssen.

Natürlich ist das alles noch Zukunftsmusik. In ungefähr sieben Jahren werden die ersten neuen Lehrer allein vor den Tafeln stehen und unterrichten. Bis dahin bleiben sie ‚Versuchskaninchen’ – sei es für verwirrende Studienordnungen, für Lernstress oder die Verschultheit im Sinne Bolognas. Und auch die Schulen müssen den Durchblick erst noch gewinnen. In der Übergangsphase laufen alter und neuer Studiengang parallel und aus beiden Lagern strömen die studentischen Praktikanten an die Schulen. Die müssen sich ihrerseits auf die unterschiedlichen Anforderungen der Praktika einstellen.

Ungeklärt bleibt noch die Frage nach der zukünftigen Besoldung. Bisher hat man Grundschullehrer geringer entlohnt als ihre Kollegen in den Gymnasien. Eine der Begründungen war die ehemals geringere Studiendauer, doch die ist mit den neuen Strukturen angeglichen worden.

Obwohl niemand genau wissen kann, ob die neuen Studiengänge wirklich reibungslos funktionieren, verbreitet Hanna Berning, Praktikumsmanagerin am PLAZ, Zuversicht: „Wir sind auf einem guten Weg.“ In Zukunft käme es „auf die Ausgestaltung durch die einzelnen Akteure an.“ Dass die neue Studienordnung gelingt, liegt nicht nur in den Händen der verantwortlichen Institutionen. Auch die Studierenden sind gefragt. Für sie stellt das neue Lehramt sicher eine Herausforderung dar, aber ebenso eine nicht zu unterschätzende Chance.

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