Literatur, Erinnerungskultur, von Nicole Niemann, 12.12.11

Im Spannungsfeld kultureller Identität

Zum Auftakt seiner Gastdozentur las Doron Rabinovici aus seinen Werken

Las zum Auftakt seiner Gastdozentur an der Universität Paderborn: Doron Rabinovici (Foto: Susanne Schleyer, Suhrkamp-Verlag)

In jedem Wintersemester können Studierende der Universität Paderborn und alle weiteren Interessierten abtauchen in die Welt der Literatur und die Arbeitsweisen eines Schriftstellers. Neben einer Vorlesungsreihe, in der Schriftsteller aus ihren Werken lesen, gibt es auch eine Gastdozentur. In diesem Semester wird sie von Doron Rabinovici übernommen. Zum Auftakt las er am 3. Dezember unter dem Titel „Diesseits und jenseits von Ohnehin“ aus seinen Werken.

„Dani konnte den vielfältigen Erwartungen nicht nachkommen: Er sollte ein Bursche sein wie alle anderen seiner Klasse, doch durfte er sein Herkommen nicht vergessen.“ Im Hörsaal ist es still, während Rabinovici eine Passage aus seinem Roman Suche nach M. vorträgt. Dani ist Jude, wie viele der Protagonisten in Rabinovicis Werken. Die Spannung zwischen nationaler und kultureller Identität spielt eine wichtige Rolle. Auch Dani muss sie kennenlernen: Er ist mit seinen Eltern nach Wien gezogen. Schnellstmöglich muss er deutsch lernen, sich anpassen, während er gleichzeitig seine Herkunft und die seiner Eltern nicht vergessen darf.

Auch der Autor selbst kennt dieses Gefühl der neuen Heimat. Der 1961 in Tel Aviv geborene Doron Rabinovici zog im Alter von 3 Jahren mit seiner Familie nach Wien und musste dort die deutsche Sprache lernen und sich in der neuen Umgebung zurechtfinden. Später studierte er in Wien Geschichte, Ethnologie, Medizin und Psychologie. Geschichte und Vergangenheit spielen auch in seinen Werken eine bedeutende Rolle, denn das Vergessen und Erinnern von Geschichte und Vergangenheit, sowie das Zusammenleben von Juden und Nicht-Juden wird oftmals von Doron Rabinovici mit Witz und Ironie thematisiert.

Neben seinen Romanen schreibt Rabinovici politische Essays und engagiert sich gegen Antisemitismus und Rassismus. Ein Kampf gegen das Vergessen, der sich ebenfalls in seinen Werken niederschlägt. Sein Roman Ohnehin stellt er die Dialektik zwischen Erinnern und Vergessen in den Vordergrund. Die Handlung spielt überwiegend auf dem Wiener Naschmarkt im Jahre 1995. Dieser Ort, mit seinen zahlreichen Händlern aus den unterschiedlichen Ländern spiegelt die Pluralität der Kulturen wieder, die im Text aufeinandertreffen und zusammen leben.

Unter dem Titel „Manche Menschen kenne ich von später – oder: Was fällt mir eigentlich ein? Schreiben als Erinnerung, Vorstellung und Eigensinn“ stellt Rabinovici seine Werke und Arbeitsweisen im Rahmen der 30. Paderborner Gastdozentur vor. Neben drei weiteren Vorträgen Rabinovicis im Januar  wird es auch noch eine Abschlusslesung am 30.1.2012 geben, in der der Autor aus seinem Werk Andernorts lesen wird.

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