Ausstellungen, von Nadine Hoffmann, 10.01.12

Totenkopf und Schädelbecher

Reis-Engelhorn Museen in Mannheim zeigen Ausstellung über den Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen

Mit Namen und Todesjahr versehener Schädel aus einem Beinhaus am Chiemsee (Foto: Franz Ehret, Freiburg)

Hier ein als Schale verwendeter Schädelknochen, dort eine Skulptur aus mehreren Schädeln, im nächsten Raum ein Trophäenkopf mit Feder- und Muschelschmuck, ein Schrumpfkopf mit zugenähtem Mund oder auch ein bemalter Schädel aus einem Beinhaus. Vielleicht doch lieber ein Zuckerschädel, wie sie heute in Mexiko am Día de los Muertos (Tag der Toten) zum Gedenken an die Verstorbenen verwendet werden? Kopf und Schädel stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung, die die Reiss-Engelhorn Museen noch bis April in Mannheim zu sehen ist.

Man ist hin und her gerissen zwischen einem schaurigen Gefühl, was durch die sparsame Beleuchtung aufgrund der empfindlichen Exponate noch verstärkt wird, und der Faszination, die die Schädel und Totenköpfe in einem auslösen. „Schädelkult“ ist bis dato weltweit die erste Ausstellung, die den Schädel als kultur- und zeitübergreifendes Menschheitsthema präsentiert. Gezeigt werden über 300 Schädel- und Kopftrophäen aus der ganzen Welt. Der Schädel, seit Jahrtausenden verehrt, gesammelt und angebetet, in allen Weltkulturen, auf allen Kontinenten bis in die heutige Zeit. Ohne Köpfe, mumifiziert oder als blanker Totenschädel, als verehrungswürdige Reliquie, als Ahnenschmuck, Siegestrophäe oder zum Gedenken, kaum eine Kultur kam bzw. kommt ohne aus, auch nicht die unsere. Auch heute ist der „Schädelkult“ kein Phänomen vergangener Tage, sondern noch immer Teil unseres Alltagskultes, wie die Ausstellung zeigt. Man denke nur an die Fanartikel des Fußballklubs St. Pauli. 

Anlass dieser Ausstellung ist die Wiederentdeckung der Schädelsammlung des Künstlers Gabriel von Marx (1840-1915), die lange als verschollen galt und nun wissenschaftlich-interdisziplinär erforscht wird. Mit dieser Information beginnt auch die Ausstellung, leider jedoch nicht mit der Schädelsammlung an sich. Die folgenden zwei Ausstellungsräume beeindrucken zwar mit ihren, teilweise durchaus skurrilen Exponaten, die dazugehörigen Texte und Erklärungen sind dagegen weniger beeindruckend, fehlen teilweise ganz. So steht der Betrachter beispielsweise vor einer „Skulptur“ von Totenköpfen aus einem afrikanischen Land, die kulturhistorische Bedeutung des Exponates wird allerdings nicht erklärt. Es scheint als hätten die Ausstellungsmacher die Erklärungen schlicht vergessen, denn im nächsten Raum sind die Erläuterungen zu den einzelnen Ausstellungsstücken vorhanden und aussagekräftig. Dafür verschwinden hier einmalige Exponate, wie die erstmals der Öffentlichkeit gezeigten Kultschädel aus Kolumbien oder ein aus Mexiko stammender, sehr seltener Schädel mit Mosaikbesatz, in der Menge. Durchaus bedauernswert, denn gerade mit diese Stücke hätte die Einmaligkeit der Ausstellung verdeutlicht werden können. 

Der geografische aufgebaute Ausstellungsrundgang hingegen vermittelt dem Besucher eindrücklich die unterschiedliche kulturelle Bedeutung des „Schädelkults“ und zeigt gleichzeitig den Facettenreichtum der kulturhistorischen Bedeutung, der Präparation sowie den unterschiedlichen Gebrauch der Köpfe. Nach Kontinenten unterteilt kann der Betrachter sich ganz den doch ein wenig gruseligen, teilweise auch fratzenhaften Objekten nähern und die Vielseitigkeit der Schädelverehrung erfahren – angefangen bei den Neandertalern bis in die heutige Zeit. Dass wir noch heute auf einen „lebendigen“ Schädelkult haben, ist Thema des letzten Raumes und bildet den Abschluss der Ausstellung. Bedauerlicherweise wirkt genau dieser Abschnitt der Ausstellung wie eine Notlösung. Es scheint, als sei bei der Planung eine leere Fläche übrig geblieben, die gefüllt werden musste. An dieser Stelle hätte man sich mehr gewünscht. Gerade auch, da man heutzutage das Symbol des Totenkopfes bzw. des Schädels in unserem Alltag noch häufig Verwendung findet. 

Nichtsdestotrotz ist es den Ausstellungsmachern gelungen eine Sammlung faszinierender Exponate zusammenzutragen, die in eine großteils sehr informative Ausstellung eingebettet sind. Ohne Zweifel sind Kopf und Schädel etwas besonders, über Kontinente, Kulturen und Jahrhunderten hinweg und genau dies wird in der Ausstellung deutlich.

Mit Namen und Todesjahr versehener Schädel aus einem Beinhaus am Chiemsee (Foto: Franz Ehret, Freiburg)

Kurator Dr. Wilfried Rosendahl bei der Vorbereitung der Ausstellung Schädelkult“ (© Curt-Engelhorn-Stiftung für die Reiss-Engelhorn-Museen, Foto: Jean Christen)

Streetart zum Schädelkult (Peter Fritz, Hamburg, ©Peter Fritz)

Blick in die anthropologische Abteilung des Privatmuseums Gabriel von Max in München. Historische Photographie der Zeit um 1900. (© Reiss-Engelhorn-Museen, Forum Internationale Photographie, Repro: Jean Christen)

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