Gegenwartskultur, von Nadine Hoffmann, 02.04.12

Vom Butterbrot zur Tiefkühlpizza

Sonderausstellung zeigt Industrialisierung der Ernährung

Am besten selbstgemacht: Ein Werbeplakat der Firma WECK preist das Einkochen von eigener Hand an. (Bildquelle: TECHNOSEUM)

Wissen sie noch, was „einwecken“ bedeutet? Oder was man in einem Kolonialwarenladen kaufen konnte? Und haben sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, wie sinnvoll Nahrungsergänzungsmittel sind? „Unser täglich Brot … Die Industrialisierung der Ernäherung“, eine Sonderausstellung des Technoseums in Mannheim, setzt sich mit eben diesen Fragen auseinander. Noch bis zum 29. April 2012 können Besucher in der interaktiven Ausstellung die Entwicklung unserer Nahrungsmittel nachvollziehen und erfahren, was sie eigentlich Essen.

„Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist“ schrieb der französische Denker und Gastrosoph Jean Anthèlme Briallant-Savarin vor über hundert Jahren. Er ging davon aus, dass unsere Essgewohnheiten widerspiegeln wer und was wir sind, welche Werte wir besitzen und nach welcher Lebenseinstellung wir leben. Eine Aussage, die zunächst abwegig erscheint. Wenn man sich jedoch im Verlaufe der Ausstellung Gedanken über seine eigenen Essgewohnheiten macht –  was ganz automatisch geschieht – wird schnell deutlich, dass es stimmt: Du bist, was du isst.

Wer von uns macht sich wirklich bei jeder Mahlzeit Gedanken darüber, ob das Essen industriell gefertigt wurde oder wie Ökonomisch sein Essen hergestellt wird? In Zeiten von Schnellimbiss, Konserve und Tiefgefrorenem vergisst man, dass noch unsere Großeltern im Sommer Obst und Gemüse für den Winter haltbar machen mussten. Das frisch geschlachtete Fleisch konnte noch nicht eingefroren werden, denn eine Kühlschrank oder eine Gefriertruhe gehörten nicht zu den Standardgeräten eines Haushalts. Tütensuppe oder Tiefkühlpizza waren fremde Worte. Überhaupt gab es Zeiten, in denen man über eine einfache Suppe und ein Stück Brot sehr dankbar war. Heute, wo man Erdbeeren doch schon im Januar kaufen kann, gar nicht vorstellbar. Dieses breite Nahrungsmittelangebot unabhängig von den Jahreszeiten hat aber auch seinen Preis: Lebensmittelskandale verunsichern und die Produktionskette der Nahrung ist nicht immer einwandfrei nachvollziehbar. 

Die Ausstellung informiert sowohl über die technische Entwicklung der Vorratshaltung, der Herstellung unserer Nahrung, über die Effekte der Zusatzstoffe, als auch über den Wellness-Trend, der längst in den Supermärkten angelangt ist. Abschließend wird ein Ausblick in die Zukunft unsere Nahrung gegeben. Zu Beginn der Ausstellung wird der Besucher durch einen inszenierten Supermarkt geführt, der verdeutlicht wie wenige große Lebensmittelkonzerne sich den Markt teilen. Wer bringt schon Perrier und Maggie mit Nestlé in Verbindung? Verlässt man den Supermarkt, kommt man in die „Vorratskammer der Vergangenheit“. Hier werden dem Besucher ehemalige Konservierungstechniken erklärt und die damit verbundenen Probleme: 1810 etwa entwickelte man die Konservendose, der Dosenöffner wurde aber erst ein halbes Jahrhundert später erfunden. Mit Hammer und Meißel wusste man sich in der Zwischenzeit zu helfen.

Natürlich dürfen die Herren Knorr, Maggi und Liebig nicht fehlen, die mithilfe industrieller Lebensmittelproduktion und eine schnelle Zubereitung die Ernährung von Arbeiterfamilien zu verbessern suchten. Gleichzeitig war dies jedoch auch der Beginn von Geschmacksverstärkern, Emulgatoren und Konservierungsmitteln. Ein Thema, das in einer Ausstellung rund um die Lebensmittelindustrie nicht fehlen darf: Man kann sich von geschultem Personal erklären lassen wie der Zuckergehalt oder Aromen in Produkten errechnet werden und selbst seine Kenntnisse über Zuckergehalt in Getränken testen. Am Imponierenden ist jedoch die darauf folgende Installation. 

An vier gedeckten Tischen kann der Besucher sowohl die Menüs als auch die Tischmanieren zu verschiedenen Zeiten erfahren. Serviert wird ein Menu um die Jahrhundertwende, ein Soldatenessen und das einer Familie aus dem Jahr 1946. Zum Vergleich stehen zudem ein Menus BRD und DDR von 1956. Am letzten Tisch besteht die Möglichkeit sich sein Essen selbst zusammenzustellen und dabei Kalorien, Preis aber auch die ökonomischen Kosten zu erfahren. Die gesamte Installation ist mit Details versehen, die die Lebensweise- und Umstände der jeweiligen Zeiten widerspiegeln. 

Bevor man sich der Lebensmittelindustrie der Zukunft nähert, wird man mit der Gegenwart konfrontiert – Wellness, der Wunsch nach einer schlanken Linie und eine gesunde Ernährung spielen hierbei eine große Rolle. Auf einem Hometrainer kann jeder am eigenen Leib erfahren wie viel Fahrrad er fahren muss, um beispielsweise einen vermeidlich „gesunden“ probiotischen Trink, der vor Zucker strotz, wieder abzutrainieren. 

Verabschiedet wird man mit einem Ausblick in die Zukunft. Welche Rolle wird Gentechnik spielen? Wie kann man der ungleichen Verteilung der Nahrungsmittel entgegentreten? Wie werden die schwindenden Anbauflächen kompensiert werden? Wie bekommen wir die Menschen auf der Erde satt? Wenn man sich mit diesem Thema auseinandersetzt, denkt man wie von selbst über den eigenen Umgang mit Nahrungsmitteln nach. Wahrscheinlich stellt man fest, dass einem selbst viele Dinge nicht bekannt waren und man noch bewusster mit Nahrung umgehen sollte. 

„Lebensmittel“ – Nahrung ist Mittel zum Leben und das sollte man nie vergessen! Die Ausstellung verdeutlicht dies auf eine didaktisch gut durchdachte Weise, die jedem auch den Kleinsten verständlich macht, wie wichtig ein nachhaltiger Umgang mit Essen ist.

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