In Zusammenarbeit mit der Programmkinoinitiative Lichtblick e.V. und dem Lehrstuhl für Filmwissenschaft des Instituts für Medienwissenschaften an der Universität Paderborn, zeigte das Cineplex Paderborn am Mittwoch, dem 13. Oktober die Filme Jud Süß – Film ohne Gewissen (2010) von Oskar Roehler und Jud Süß (1940) von Veit Harlan. Die Aufführung wurde von einer Filmbesprechung durch Prof. Dr. Annette Brauerhoch (Universität Paderborn), Dr. Thomas Kroll (Filmkritiker) und Anke Zechner (Universität Paderborn) ergänzt, die Dr. Markus Leninger von der Katholischen Akademie Schwerte moderierte. Dem Film von Veit Harlan ging zudem eine filmwissenschaftliche Einführung durch Frau Zechner voraus.
1945 war zunächst die Vorführung von Jud Süß von den alliierten Besatzungstruppen verboten worden, bevor der Film in den 1950er Jahren dann als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurde. Die Handlung ist an die historischen Vorgänge um den jüdischen Finanzbeamten Joseph Süß Oppenheimer angelehnt, der 1738 wegen Hochverrats in Stuttgart hingerichtet wurde. Die gezielt negative Darstellung der Figur Oppenheimer im Film diente dazu, das Judentum allgemein zu diskreditieren. Die Zuschauer sollten in gewisser Weise auf die Verfolgung der Juden „eingestimmt“ werden. Jud Süß übernahm damit jene pädagogische Funktion, welche Propagandaminister Joseph Goebbels dem Film generell zuschrieb: Der Zuschauer soll erzogen werden, ohne etwas davon zu merken. Der „Erfolg“ dieser Strategie zeigte sich beispielsweise daran, dass einige Jugendliche in Wien nach der Vorführung des Films den ersten Juden zu Tode prügelten, der ihnen begegnete. In der Zeit des Dritten Reiches sahen den Film seit seiner Uraufführung bei den Filmfestspielen in Venedig 1940 rund 20 Millionen Menschen.
Siebzig Jahre nach seiner Uraufführung ist die Entstehungsgeschichte von Jud Süß zum Gegenstand des neuen Films von Regisseur Oskar Roehler geworden. Dass Jud Süß – Film ohne Gewissen von den Filmkritikern kontrovers diskutiert wird, spiegelte sich auch in der Filmbesprechung am Mittwochabend. „Man weiß eigentlich nicht, was Roehler mit dem Film erreichen will“, sagte Prof. Brauerhoch. Dem schloss sich auch Dr. Kroll an, der die Ambivalenz des Films unterstrich: „Er ist weder ein Making-of des Originals noch eine Geschichte über dessen Hauptdarsteller Ferdinand Marian.“ Anke Zechner hob in diesem Zusammenhang hervor, dass es zumindest einige dramaturgische Gemeinsamkeiten zwischen den Filmen von Harlan und Roehler gebe. Harlan beschreibe Aufstieg und Fall der Figur des Juden Oppenheimer, die durch Ferdinand Marian verkörpert worden sei. Roehlers Film hingegen thematisiere Aufstieg und Fall von Marian selbst, der hier von Tobias Moretti gespielt wird. Der unscharfe Umgang mit historischen Fakten sei der künstlerischen Freiheit des Regisseurs geschuldet. Durch die Inszenierung Marians als tragische Figur werde Roehler jedoch der Tatsache gerecht, dass der Schauspieler von den Nationalsozialisten unter Androhung von Gewalt zum Mitwirken am Film gezwungen worden sei.
Die Idee des Abends, nämlich eine Gegenüberstellung der beiden Filme vorzunehmen, glückte am Mittwoch offenbar nur im Ansatz. Zu diesem Zweck hätte die Debatte vielmehr an die Vorführung des Originals angeschlossen werden müssen, statt ihr vorauszugehen. Eine abschließende Diskussionsrunde, die für eine Reflexion der beiden Filme (auch von Seiten des Publikums) sicherlich hilfreich hätte sein können, blieb leider aus.
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