„Nachdem schweren Erdbeben in Norditalien mit mindesten sechst Toten stehen die Menschen der Region unter Schock“(2012, ARD)
Allein am 20. und 21. Mai des Jahres 2012 sind in der ‚Liste automatisch lokalisierter Erdbeben’ des GFZ (Deutsches GeoForschungsZentrum) Potsdam mehr als 30 Beben verzeichnet worden. Auch wenn viele Erdstöße zu schwach sind um von Menschen wahrgenommen zu werden, gibt es nicht wenige starke Beben, die Häuser zerstören, Tsunamis auslösen und Menschen töten – wie gerade erst wieder in Norditalien.
In der Antike schrieb man Erdbeben den Göttern zu, ab dem Mittelalter dem Wirken Gottes. In der frühen Neuzeit waren Katastrophen wie Erdbeben ein bedeutendes Moment in Religions- und Meinungskämpfen und galten als Strafe. So wurde das große Beben von Lissabon 1755 als Bestrafung Gottes für die Reformpolitik interpretiert. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam die Idee der Kontinentalverschiebung auf. Die daraus resultierende Theorie erarbeitete der deutsche Wissenschaftler Alfred Wegener.
Eigentlich war Wegener Meteorologe und Polarforscher und für seine, in diesen Gebieten gewonnen Erkenntnisse, auch Zeit seines Lebens bekannt und anerkannt. Er nahm an vier großen Expeditionen nach Grönland teil, von denen zwei unter seiner Leitung stattfanden, als letzte die große deutsche Grönlandexpedition von 1930-1931, bei der erstmals ein Mensch im grönländischen Inlandeis „Eismitte“ überwinterte.
Wegener selbst kam auf dem Rückweg von der Station „Eismitte“, die er mit Nahrung versorgte, 1930 im ewigen Eis ums Leben.
Noch heute sind seine Erkenntnisse und sein interdisziplinäres Denken wegweisend und er ist Namensgeber des Alfred-Wegner-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Und doch revolutionierte er die Wissenschaft auf einem ganz anderen Gebiet: Seine Kontinentalverschiebungstheorie sollte zu einer der grundlegendsten
Theorien der Geowissenschaften werden. Doch bis zur wissenschaftlichen Anerkennung der Hypothese war es ein langer Weg.
War er für seine Erkenntnisse und Arbeit in der Polarforschung angesehen und anerkannt, sahen viele Geologen und Geophysiker in ihm den ‚Quereinsteiger’ mit exotischen Ideen und bedachten in mit Spott. Zu Lebzeiten blieb ihm die Annerkennung für seine aufgestellte Hypothese verwehrt.
Erst 1960, 30 Jahre nach seinem, wurde seine Theorie der Plattentektonik, wie die Verschiebungstheorie heute genannt wird, international akzeptiert.
„Die erste Idee der Kontinentenverschiebung kam mir bereits im Jahr 1910 bei der Betrachtung der Weltkarte unter dem unmittelbaren Eindruck von der Kongruenz der atlantischen Küste, ich ließ sie aber zunächst unbeachtet, weil ich sie für unwahrscheinlich hielt.“
Nachdem ihm ein Jahr später zufällig ein Sammelreferat über die Ähnlichkeit der Fauna der beiden südatlantischen Kontinente (Brasilien und Afrika) in die Hände fiel, recherchierte er zu diesem Thema, wertete Untersuchungsergebnisse aus und leitete draus seine Theorie über die Kontinentenverschiebung ab. 1912 hielt er erstmals einen Vortrag über seine Idee. Bei der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung in Frankfurt stellt er seine Idee unter dem Titel ‚Die Herausbildung der Großformen der Erdrinde auf geophysikalischer Grundlage’ vor, fand aber nur wenig Anerkennung und wurde sogar verlacht. Die bis dahin vorherrschende Meinung in der Wissenschaft ging davon aus, dass die Kontinentalblöcke ihre relative Lage zueinander die Erdgeschichte hindurch beibehalten hatten und die nicht mehr existierenden Landverbindungen wurden mit der Schrumpfung der Erde und den dadurch versunkenen Zwischenkontinenten erklärt.
Wegeners Theorie war eine andere: Ausgehend von einem Urkontinent, hätten sich im Laufe der Erdgeschichte durch Auseinanderdriften der Urscholle die verschiedenen Kontinente und Ozeane gebildet. Da Wegener jedoch die Ursache und Motoren der verschiebenden Kräfte nicht erklären konnte, fand seine Theorie keine Anerkennung. Und doch hielt er an seiner Idee fest und veröffentlichte 1915 sein Hauptwerk zu diesem Thema ‚Die Entstehung der Kontinente und Ozeane’. Bis zu seinem Tode überarbeitete Wegener das Werk mehrfach und brachte immer wieder neue Forschungsergebnisse mit ein, zuletzt 1929. Zeitlebens kämpfte er für die Anerkennung seiner Theorie.
Das dies nicht ganz umsonst war, zeigen handschriftliche Notizen, die sich Wegener in seiner eignen Ausgabe machte und die 2005 transkribiert wurden. So heisst es beispielsweise „Diese Theorie bietet zunächst für unsere bisherigen Anschauungen ein vollständiges Novum, welches sich sehr schwer mit zahlreichen geologischen Vorstellungen vereinigen lässt „ oder „So unsicher diese Grundlage auch ist, so verdient die Wegenerische Überlegung doch so lange eine Berücksichtigung, als auch die direkten Längenbestimmungen eine gegenseitige Verschiebung von Teilen der Erdoberfläche unabweisliche erscheint“.
Und dennoch blieb die Theorie bis in die 1950er Jahre umstritten, da die Beweisführung für die Kontinentalplattenverschiebung noch immer nicht erbracht war. Erst um 1960 konnten durch meereskundliche Expeditionen am Boden des Atlantiks die Theorie bestätigt werden.
Von vielen seiner Zeitgenossen für seine Hypothese belächelt, wurde seine Theorie postum anerkannt und bildet die Grundlage für das heutige Modell der Plattentektonik. Wegener selbst hat, wie kaum ein anderer deutscher Geowissenschaftler, die Forschung international so nachhaltig beeinflusst. Kontinente, die sich bewegen und damit erklären, warum die Erde bebt.
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