2003 beschloss die UNESCO erstmals, auch Volksbräuche und Traditionen als Kulturgüter anzuerkennen und somit weltweit in den Fokus zu rücken. Die Liste dieser immateriellen Kulturgüter, die von der Völkergemeinschaft besondere Wertschätzung erhalten, wächst schnell. Inzwischen umfasst sie insgesamt 213 Einträge. Im November vergangenen Jahres kamen die letzten 47 dazu. Neben der chinesischen Akupunktur und dem 600 Jahre alten Karneval im belgischen Alost, finden sich unter ihnen auch „The gastronomic meal of the French“, „The Mediterranean diet“ und die „Traditional Mexican cuisine“. In der Öffentlichkeit stößt vor allem die Aufnahme dieses kulinarischen Kulturerbes auf Unverständnis.
Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel des französischen Listenneulings. Ob die Lammkeule, der Rotwein oder die delikate Käseauswahl: Viele sehen lediglich die Produkte der „Französischen Küche“ geadelt. Das soll Weltkulturerbe sein? Tatsächlich wird die deutsche Übersetzung der Sache an dieser Stelle nicht gerecht. Mit dem „gastronomic meal of the French“ oder dem „Repas gastronomique des Français“ ist keinesfalls pauschal „die Französische Küche“ gemeint. Man bezieht sich vielmehr auf deren kulturell höher entwickelte Form. Laut Kommission geht es um die „gebräuchliche soziale Praxis, die wichtigsten Momente im Leben des Einzelnen oder von Gruppen“ mit einem gastronomischen Essen zu bereichern. Es geht also um das WIE und nicht so sehr um das WAS.
Aber auch hier werden kritische Stimmen laut. Man bezweifelt, dass die französische Esskultur tatsächlich so sehr vom Verfall bedroht ist und eine Aufnahme in das Kulturerbe der UNESCO nötig hat. Blickt man auf die Niederlassungen der weltweit umsatzstärksten Fastfood-Kette in Frankreich, so lässt sich zumindest ein oberflächlicher Eindruck vom Verhältnis der Franzosen zu ihrem Essen gewinnen. Hier musste man feststellen, dass sich der Durchschnittsfranzose auch beim Fastfood statt der üblichen 10 ganze 25 Minuten beim Essen verbringt und danach noch einmal so lange sitzen bleibt, um sich zu unterhalten. Die Filialen wurden dementsprechend angepasst. Sie ähneln in ihrem Look nun vielmehr dem, was man unter einem Restaurant versteht. Auch was die Ansprüche an den gemeinen Hamburger anging weichen die Franzosen vom Durchschnittskunden der Kette ab. Seither bereichern Burger im Vollkornbrötchen, frische Croissants und eine reichhaltige Salatbar das Angebot. Da sich die Franzosen nicht anpassen wollten, wurde man ihren Wünschen gerecht. Kann hier von einem Verfall der Esskultur die Rede sein?
Diese Zweifel weist das Bewerbungskomitee zurück. Essen als soziale Interaktion soll gesichert werden. Dabei setzt man vor allem auf die Weitergabe an junge Menschen. Es sei notwendig, mit der Erziehung der Kinder einem neuen Trend vorzubeugen, sagte Annick Vin von der Mission française du patrimoine et des cultures alimentaires (MFPCA), die den Antrag formuliert hat. Dieser neue Trend zeigt sich, wo die Mahlzeiten immer kürzer werden und immer mehr Familien zu Fastfood und Tiefkühlkost greifen. Kommenden Generationen soll durch die Aufnahme in die Liste gezeigt werden, dass Essen Kulturgut ist. Über das Bildungssystem soll dieses Gut zudem direkt vermittelt werden, so die Entscheidung der UNESCO.
Ob die Esskultur der Franzosen nun in Gefahr ist oder nicht: die Ernennung des Französischen Gastmals zum immateriellen Weltkulturerbe kann sicherlich dazu beitragen, dass auch in anderen Ländern über die Bedeutung des Essens nachgedacht wird. Fremde Kultur rückt näher, auch was das Essen angeht. Dass hier noch Aufklärungsbedarf besteht zeigt auch die Reaktion auf die Ernennung der traditionellen mexikanischen Küche. So titelten zahlreiche Internetblogger „Chili-Con Carne ist Welterbe“. Tatsächlich entstammt das "Chili mit Fleisch" – ein Gericht aus Fleisch, Chilischoten und anderen Zutaten – jedoch nicht der mexikanischen, sondern der Tex-Mex-Küche. Ein Kochstil, der in den USA entwickelt wurde.
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